taz.de -- Türkisch-syrisches Grenzgebiet: Kurden erobern Tal Abjad zurück
Milizen vertreiben den IS aus der Grenzstadt Tal Abjad. Ein wichtiger Sieg, denn nun ist die Versorgungslinie der IS-Hauptstadt Rakka abgeschnitten.
BERLIN taz | Nach mehrtägigen Kämpfen ist es kurdischen und anderen Milizionären gelungen, die Extremisten des Islamischen Staates (IS) aus der syrischen Stadt Tal Abjad nahe der Grenze zur Türkei zu vertreiben. Für die Kurden ist dies ein wichtiger Sieg, da nunmehr die Versorgungslinie der IS-Hauptstadt Rakka in das Nachbarland im Norden abgeschnitten ist.
Sollten die Kurdischen Verteidigungseinheiten (YPG) und die Rebellenverbände, die sich Burkan al-Furat nennen, die Kleinstadt halten, können sie zwei ihrer drei „Kantone“ in Syrien miteinander verbinden. Gleichzeitig bedeutet der Sieg eine Entlastung für Kobani (Ain al Arab) weiter westlich, das am 27. Januar nach heftigen, viermonatigen Kämpfen befreit wurde.
Für den IS, der Tal Abjad im Juni 2014 eingenommen hatte, ist der Verlust der Stadt eine herbe Niederlage. Nach der Eroberung der irakischen Stadt Ramadi am 17. Mai und Tadmor/Palmyra in Syrien am 21. Mai schienen die Islamisten auf der Siegerstraße zu sein.
Und nun ist die Versorgung von Rakka bedorht. Zwar verlief auch bisher der Nachschub an Kämpfern und Waffen oder die Ausfuhr von Kulturgütern nicht über den offiziellen Übergang in Tal Abjad, sondern die grüne Grenze. Sollte diese künftig von kurdischen Milizen und Rebellen kontrolliert werden, müsste der IS seinen Nachschub über den von ihm noch gehaltenen Grenzübergang in Jarabulus organisieren, der noch westlich von Kobani in der Provinz Aleppo liegt.
Nach den jüngsten Eroberungen des IS und des langen Kampfes um Kobani kommt der schnelle Sieg der Kurden in Tal Abjad überraschend. Dass die Kleinstadt seither im Focus der Kurden stand, jedoch nicht. Abgesehen davon, dass die USA in Koordination mit den Kurden IS-Stellungen bei Tal Abjad bombardierten, waren diese bereits seit dem Frühjahr in der an Rakka angrenzenden Provinz Hasaka auf dem Vormarsch.
Hochburg des syrischen Regimes
Sie eroberten dort mehrere vom IS gehaltene Ortschaften sowie eine Gebirgsregion südöstlich von Tal Abjad. Außerdem sicherten sie sich neben den Rebellengruppen auch die Unterstützung von arabischen Stämmen sowie assyrisch-christlichen Milizen. Die Provinz ist ein altes Siedlungsgebiet dieser Minderheit.
Hinzu kommt, dass die Milizen des IS, ähnlich wie die syrischen Regimekräfte, vermutlich überlastet sind. Die Eroberung von Tadmor/Palmyra, einer Hochburg des syrischen Regimes, erforderte wohl die Verstärkung durch IS-Milizen aus anderen Teilen des Landes, sodass die Extremisten zunächst auf eine verlustreiche Verteidigung von Tal Abjad verzichteten. Eine organisierte Gegenoffensive des Islamischen Staates ist damit jedoch nicht ausgeschlossen.
16 Jun 2015
AUTOREN
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
Bei Anschlägen an der türkisch-syrischen Grenze sterben Dutzende Menschen. Nun rächt sich, dass die Türkei den IS lange gewähren ließ.
Bei zwei mutmaßlichen Selbstmordanschlägen sind in den Städten Suruc und Kobani Dutzende Menschen gestorben. Die türkischen Behörden verdächtigen den IS.
In der kurdischen Armee gibt es ein eigenes Frauenbataillon. Aber in der Region kommt die Emanzipation nur langsam voran.
Bei einem Luftangriff in Mossul soll laut Pentagon der Tunesier Al-Harzi getötet worden sein. Er soll unter anderem Rekruten für den IS angeworben haben.
Die USA wollen nach den Erfolgen des IS mehr irakische Kämpfer ausbilden. Die Terrormiliz erobert derweil offenbar die libysche Stadt Sirte.
Jordanien hat seit Beginn des Krieges in Syrien über 600.000 Flüchtlinge aufgenommen. Human Rights Watch beklagt, dass jetzt Menschen ausgesperrt werden.
Die Konferenz beginnt mit dem Eingeständnis des Misserfolgs. Die Verantwortung dafür schieben sich die Teilnehmer gegenseitig zu.
Der Feldzug Bagdads gegen den IS in der Provinz Anbar hat noch nicht richtig begonnen, da schlägt diese brutal zurück.