taz.de -- Türkisch-syrisches Grenzgebiet: Kurden erobern Tal Abjad zurück

Milizen vertreiben den IS aus der Grenzstadt Tal Abjad. Ein wichtiger Sieg, denn nun ist die Versorgungslinie der IS-Hauptstadt Rakka abgeschnitten.
Bild: Kurden auf der türkischen Seite der Grenze verfolgen die Gefechte um Tal Abyad am 15. Juni

BERLIN taz | Nach mehrtägigen Kämpfen ist es kurdischen und anderen Milizionären gelungen, die Extremisten des Islamischen Staates (IS) aus der syrischen Stadt Tal Abjad nahe der Grenze zur Türkei zu vertreiben. Für die Kurden ist dies ein wichtiger Sieg, da nunmehr die Versorgungslinie der IS-Hauptstadt Rakka in das Nachbarland im Norden abgeschnitten ist.

Sollten die Kurdischen Verteidigungseinheiten (YPG) und die Rebellenverbände, die sich Burkan al-Furat nennen, die Kleinstadt halten, können sie zwei ihrer drei „Kantone“ in Syrien miteinander verbinden. Gleichzeitig bedeutet der Sieg eine Entlastung für Kobani (Ain al Arab) weiter westlich, das am 27. Januar nach heftigen, viermonatigen Kämpfen befreit wurde.

Für den IS, der Tal Abjad im Juni 2014 eingenommen hatte, ist der Verlust der Stadt eine herbe Niederlage. Nach der Eroberung der irakischen Stadt Ramadi am 17. Mai und Tadmor/Palmyra in Syrien am 21. Mai schienen die Islamisten auf der Siegerstraße zu sein.

Und nun ist die Versorgung von Rakka bedorht. Zwar verlief auch bisher der Nachschub an Kämpfern und Waffen oder die Ausfuhr von Kulturgütern nicht über den offiziellen Übergang in Tal Abjad, sondern die grüne Grenze. Sollte diese künftig von kurdischen Milizen und Rebellen kontrolliert werden, müsste der IS seinen Nachschub über den von ihm noch gehaltenen Grenzübergang in Jarabulus organisieren, der noch westlich von Kobani in der Provinz Aleppo liegt.

Nach den jüngsten Eroberungen des IS und des langen Kampfes um Kobani kommt der schnelle Sieg der Kurden in Tal Abjad überraschend. Dass die Kleinstadt seither im Focus der Kurden stand, jedoch nicht. Abgesehen davon, dass die USA in Koordination mit den Kurden IS-Stellungen bei Tal Abjad bombardierten, waren diese bereits seit dem Frühjahr in der an Rakka angrenzenden Provinz Hasaka auf dem Vormarsch.

Hochburg des syrischen Regimes

Sie eroberten dort mehrere vom IS gehaltene Ortschaften sowie eine Gebirgsregion südöstlich von Tal Abjad. Außerdem sicherten sie sich neben den Rebellengruppen auch die Unterstützung von arabischen Stämmen sowie assyrisch-christlichen Milizen. Die Provinz ist ein altes Siedlungsgebiet dieser Minderheit.

Hinzu kommt, dass die Milizen des IS, ähnlich wie die syrischen Regimekräfte, vermutlich überlastet sind. Die Eroberung von Tadmor/Palmyra, einer Hochburg des syrischen Regimes, erforderte wohl die Verstärkung durch IS-Milizen aus anderen Teilen des Landes, sodass die Extremisten zunächst auf eine verlustreiche Verteidigung von Tal Abjad verzichteten. Eine organisierte Gegenoffensive des Islamischen Staates ist damit jedoch nicht ausgeschlossen.

16 Jun 2015

AUTOREN

Beate Seel

TAGS

Schwerpunkt Syrien
Syrischer Bürgerkrieg
Kobani
Schwerpunkt Syrien
Kurdistan
Mossul
Schwerpunkt Syrien
Schwerpunkt Syrien
Irak-Krieg
Ramadi

ARTIKEL ZUM THEMA

Anschläge in Suruç und Kobani: Die Geister, die Erdoğan rief

Bei Anschlägen an der türkisch-syrischen Grenze sterben Dutzende Menschen. Nun rächt sich, dass die Türkei den IS lange gewähren ließ.

Anschläge an türkisch-syrischer Grenze: Dutzende Tote in zwei Städten

Bei zwei mutmaßlichen Selbstmordanschlägen sind in den Städten Suruc und Kobani Dutzende Menschen gestorben. Die türkischen Behörden verdächtigen den IS.

Aus „Le Monde diplomatique“: „Keine Lust auf Haus, Kind, Ehemann“

In der kurdischen Armee gibt es ein eigenes Frauenbataillon. Aber in der Region kommt die Emanzipation nur langsam voran.

Kampf gegen den IS im Irak: Hochrangiges IS-Mitglied getötet

Bei einem Luftangriff in Mossul soll laut Pentagon der Tunesier Al-Harzi getötet worden sein. Er soll unter anderem Rekruten für den IS angeworben haben.

Kampf gegen den IS: Mehr US-Militär im Irak

Die USA wollen nach den Erfolgen des IS mehr irakische Kämpfer ausbilden. Die Terrormiliz erobert derweil offenbar die libysche Stadt Sirte.

Syrische Flüchtlinge in Jordanien: Hunderte sitzen an der Grenze fest

Jordanien hat seit Beginn des Krieges in Syrien über 600.000 Flüchtlinge aufgenommen. Human Rights Watch beklagt, dass jetzt Menschen ausgesperrt werden.

Treffen der Koalition in Paris: Schwieriger Anti-IS-Gipfel

Die Konferenz beginnt mit dem Eingeständnis des Misserfolgs. Die Verantwortung dafür schieben sich die Teilnehmer gegenseitig zu.

Offensive der irakischen Armee: Rückschlag gegen IS in Ramadi

Der Feldzug Bagdads gegen den IS in der Provinz Anbar hat noch nicht richtig begonnen, da schlägt diese brutal zurück.