taz.de -- Erdogan will Oppositionsführer verklagen: Posse um vergoldete Klobrillen
Erdogan fordert Schadenersatz von Oppositionsführer Kilicdaroglu. Dieser hatte den Reichtum der Herrschenden kritisiert.
Istanbul dpa | Der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan will Oppositionsführer Kemal Kilicdaroglu wegen einer angeblichen Behauptung über „vergoldete Klobrillen“ im Präsidentenpalast verklagen. Erdogans Anwälte forderten 100.000 Lira Schadenersatz von Kilicdaroglu, meldete die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu am Dienstag.
Bei einer Wahlkampfveranstaltung hatte Kilicdaroglu am Samstag in Izmir laut Anadolu zwar von „vergoldeten Klobrillen“ gesprochen, diese aber nicht explizit in Erdogans Palast verortet.
Kilicdaroglu hatte demnach an die Adresse der „Herren in Ankara“ gesagt: „Euch wurde ein Palast gebaut, wurden Flugzeuge gekauft, wurden Mercedes gekauft, von denen Ihr gesagt habt, sie würden Peanuts kosten. Vergoldete Klobrillen wurden gemacht. (...) Ihr habt 17 Millionen Bedürftige geschaffen, schämt Ihr Euch nicht?“
Erdogan hatte Kilicdaroglu daraufhin aufgefordert, den Palast nach vergoldeten Klobrillen zu durchsuchen. „Sollte er fündig werden, trete ich als Präsident zurück“, sagte Erdogan bei einem Fernsehauftritt. Der Streit um „vergoldete Klobrillen“ spielt seit dem Wochenende eine größere Rolle im Wahlkampf. Am Sonntag wird in der Türkei ein neues Parlament gewählt.
3 Jun 2015
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
Der türkische Präsident hat „Cumhuriyet“-Chefredakteur Dündar gedroht. Dieser erfährt nun die Solidarität von Prominenten und Intellektuellen.
Eine Arte-Dokureihe erkundet die türkische Gesellschaft im Spagat zwischen dem Erbe Atatürks und der heutigen islamistischen Regierung.
Rund tausend Demonstranten gedachten in Istanbul der Gezi-Proteste vor zwei Jahren. Auf den Taksim-Platz durften sie jedoch nicht.
Ihre Korruptionsermittlungen führten 2013 zur Festnahme von 60 regierungsnahen Personen. Die Entlassungen sprechen rechtsstaatlichen Prinzipien Hohn.
Den Präsidenten schert es nicht, dass er laut Verfassung Zurückhaltung üben muss. Er braucht bei der Wahl jede kurdische Stimme – auch in Deutschland.