taz.de -- Ökonom Rose über den US-Schuldenstreit: "Obama ist zu schwach"

Obama hat bei den Verhandlungen mit den Republikanern zu sehr auf Kompromiss gesetzt, kritisiert Ökonom Stephen Rose. Anleger wüssten genau, dass es sich um ein politisches Problem handele.
Bild: Vorhang auf für Barack Obama. Im Schuldenstreit hätte er nach Roses Meinung anders handeln müssen.

taz: Herr Rose, worin unterscheiden sich die USA von Griechenland?

Stephen Rose: Niemand glaubt, dass die USA pleite geht. Anleger wissen, dass der US-Schuldenstreit kein ökonomisches, sondern ein politisches Problem ist.

Aber bei einer Zahlungsunfähigkeit wäre das Resultat dasselbe.

Die Regierung müsste alle ihre Mitarbeiter nach Hause schicken. Fünf bis zehn Tage später zahlt sie aber alles wieder zurück. Denn spätestens dann wird es ein Abkommen geben, und die USA werden ihre Schulden mit Zinsen und Strafen zurückzahlen. Die Märkte haben deswegen bislang kaum reagiert, weil sie wissen, dass es keine reale Langzeitdrohung gibt.

Wäre ein solches Drama in einem anderen Land denkbar?

Nein, wir können dieses Spiel nur deswegen betreiben, weil wir die größte Wirtschaft sind und unsere Schulden in unserer eigenen Währung halten. Thailand etwa hatte ein Problem, als der Bath um 50 Prozent abgewertet wurde. Thailands Schulden hatten sich verdoppelt. Fällt der Dollar hingegen um 50 Prozent, halbieren sich unsere Schulden.

Die Kreditgeber spielen mit?

Sie hätten ihrerseits ein Problem, wenn die US-Papiere plötzlich sehr viel weniger wert wären. Viele Banken gingen insolvent. Deswegen halte ich dieses Szenario für unwahrscheinlich. Realistischer ist, dass die Preise auf den Aktienmärkten fallen und die Zinsen steigen.

In den USA geht es um die Erhöhung der Schuldendecke von 14,3 Billionen Dollar. Bis zu welcher Summe ist eine Staatsverschuldung noch vernünftig?

Das hängt von der Wirtschaftsstärke ab. Japan etwa hatte 20 Jahre lang einen Schuldenberg, der doppelt so hoch war wie die Wirtschaftsleistung. Trotzdem ist das Land weiter gekommen. Der US-Regierung gehören Straßen, Flughäfen und Wälder. Eine Verschuldung bis zu 100 Prozent des BIP stellt für ein Land wie die USA an und für sich noch keine unvernünftige Belastung dar.

Ein Staatsbankrott der weltgrößten Volkswirtschaft wäre dennoch dramatisch. Kann der Präsident wirklich nichts tun?

Unser System gibt dem Präsidenten nur begrenzte Macht. Das Einzige, was Obama versuchen könnte, wäre die Berufung auf den 14. Verfassungszusatz. Dabei geht es zwar eigentlich um die Befreiung der Schwarzen von der Sklaverei. Aber das Gesetz legt auch fest, dass die USA grundsätzlich ihre Schulden zu zahlen haben. Deswegen meinen manche, der Präsident könnte die Schuldendecke auch ohne Gesetz erhöhen.

Was hat Obama falsch gemacht?

Ihm ist es nicht gelungen, den Forderungen der Republikaner nach massiven Kürzungen im sozialen Bereich entschieden genug entgegenzutreten. Und auch eine Erhöhung der Reichensteuer konnte er nicht durchsetzen. In seinem Bemühen, vernünftig zu wirken, hat er zu sehr auf einen Kompromiss mit den Republikanern gesetzt. Dabei hatte er von vornherein keine Chance.

29 Jul 2011

AUTOREN

Dorothea Hahn

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