taz.de -- Einigung in Washington: Mehr Schulden, weniger Ausgaben

Die Parteiführungen von Demokraten und Republikaner haben sich auf einen Kompromiss im Schuldenstreit verständigt. Unklar bleibt, wie sich die 87 Abgeordneten der Tea Party dazu verhalten werden.
Bild: Obama trat vor die Journalisten, um den Parteiendeal zu verkünden.

WASHINGTON dapd/dpa | Nach der vorläufigen Einigung im US-Schuldenstreit haben die Parteiführungen von Demokraten und Republikanern im US-Kongress unter den Abgeordneten um Zustimmung zu der Gesetzesvorlage geworben. Am frühen Montagabend (MEZ) war noch unklar, ob es den Parteien gelingen wird, die benötigte Mehrheit für den Kompromiss zu organisieren.

Die Zustimmung des Senats, in dem die Demokraten die Mehrheit haben, gilt als sicher. Im Repräsentantenhaus mit seiner republikanischen Mehrheit könnte es indes noch Debatten geben. Einige Republikaner sind dem Vernehmen nach immer noch verärgert über vorgeschlagene Einschnitte bei den Verteidigungsausgaben.

Unklar ist auch, wie sich die 87 Abgeordneten verhalten, die der ultrakonservativen Tea Party zuzurechnen sind. Beobachter gingen jedoch davon aus, dass der Präsident des Repräsentantenhauses, John Boehner, und der Mehrheitsführer im Senat, Harry Reid, die erforderlichen Stimmen zusammenbekommen.

Zuvor hatten sich Präsident Barack Obama und die Parteispitzen im Kongress nach wochenlangem Streit darauf verständigt, die Schuldengrenze anzuheben und so die drohende Zahlungsunfähigkeit abzuwenden. Der Zweistufenplan sieht nach bisher bekannt gewordenen Eckpunkten eine Anhebung der Schuldengrenze um mindestens 2,2 Billionen Dollar (1,5 Billionen Euro) sowie noch höhere Ausgabenkürzungen vor.

In einem ersten Schritt sind die sofortige Anhebung des Schuldenlimits um fast eine Billion Dollar (694 Milliarden Euro) und etwas höhere Ausgabenkürzungen über zehn Jahre hinweg geplant. Steuererhöhungen, auf die Obama gedrungen hatte, sind nicht vorgesehen. Allerdings kündigte er an, dass er in der zweiten Phase das Thema Steuererhöhungen für die Reichen erneut aufgreifen werde. Auch diese Bevölkerungsgruppe müsse ihren Beitrag leisten.

Dafür reicht der Plan, wie von Obama angestrebt, über den Wahltermin Ende 2012 hinaus. Ein Kongressausschuss soll bis Ende November empfehlen, wo weitere mindestens 1,8 Billionen Dollar (1,25 Milliarden Euro) eingespart werden können.

Die Ausgabenkürzungen werden tausende Bundesbehörden und Regierungsprogramme wie die Verwaltung der Nationalparks, die Steuerbehörde und das Arbeitsministerium betreffen. Zunächst nicht angetastet werden hingegen die Sozialversicherungen und die Krankenversicherung Medicare für alte Menschen. Auch das Programm zur Vergabe von Lebensmittelkarten und die Krankenversicherung Medicaid für Arme sollen von den Kürzungen ausgenommen werden. Weniger Zuschüsse hingegen dürften Ärzte, Pflegeheime und Anbieter medizinischer Dienstleistungen erhalten.

Die Kürzungen drücken die US-Staatsausgaben laut Obama auf das niedrigste Niveau seit den fünfziger Jahren. "Ist das die Vereinbarung, die ich vorgezogen hätte? Nein", sagte Obama. "Das Wichtigste ist aber, dass sie uns erlaubt, die Zahlungsunfähigkeit zu vermeiden und die Krise zu beenden, in die Washington den Rest der USA gestürzt hat. Die Wolke aus Zweifel und Unsicherheit wird sich heben." Im Senat hatten die Fraktionschefs der Demokraten und der Republikaner, Harry Reid und Mitchell McConnell, den Plan unterstützt. Boehner betonte vor Parteifreunden, es sei ein guter Kompromiss, der die Forderungen aller Republikaner erfülle.

1 Aug 2011

ARTIKEL ZUM THEMA

Netzkampagne des US-Präsidenten: "Barack Ospama"

Nach einer misslungenen PR-Kampagne verliert Obama 33.000 Follower auf Twitter. Es konnten wohl nicht alle Mittel im Schuldenstreit eingesetzt werden.

Kommentar US-Schuldenkompromiss: Die Weltwirtschaft trifft es später

Das US-Sparpaket ist langfristig problematisch: Es hätte viel Geld für ein Konjunkturpaket ausgegeben werden müssen, um die hohe Arbeitslosigkeit zu drücken.

Abgeordnetenhaus billigt Schuldendeal: Staatspleite praktisch abgewendet

Wochenlang hat der US-Finanzkrimi die Welt in Atem gehalten. Jetzt hat das Abgeordnetenhaus endlich die Erhöhung des Schuldenlimits gebilligt. Der Senat soll folgen.

Schulden in den USA: Vier Blocks weiter ist alles anders

Nach der Einigung im Schuldenstreit sind in Washington die von staatlichen Hilfen abhängigen Bewohner sauer. Sie glauben, dass sie dafür büßen müssen.

Ökonom Dullien über die US-Ökonomie: "Ich sehe keine Rezession"

Die Aussichten für die US-Wirtschaft sind nicht so schlecht, glaubt der Ökonom Sebastian Dullien. Denn die Exporte laufen gut und die Beschäftigung im privaten Bereich nimmt zu.

Kommentar US-Schuldenstreit: Der Kampf gilt Obama und dem Staat

Der US-Schuldenstreit hat einen klaren Verlierer: Obama, der weder die vorherigen Steuersenkungen rückgängig machen noch Geld in Soziales und Bildung investieren kann.

US-Rechte im Schuldenstreit: Das Spiel mit dem Feuer

Kommt es zu keiner Einigung zwischen Demokraten und Republikanern, wird es für die USA ganz schön teuer. Und auch der Rest der Welt hat allen Grund zur Sorge.

Kommentar US-Schuldenstreit: Punktsieg der Ultras

Boehner hat die Kontrolle über seine eigene republikanische Mehrheit verloren. Im Windschatten der Schuldendebatte haben die rechten Ultras gepunktet.

Ökonom Rose über den US-Schuldenstreit: "Obama ist zu schwach"

Obama hat bei den Verhandlungen mit den Republikanern zu sehr auf Kompromiss gesetzt, kritisiert Ökonom Stephen Rose. Anleger wüssten genau, dass es sich um ein politisches Problem handele.