taz.de -- Griechenlands Verbindlichkeiten: Ein Schuldenschnitt wird teuer
17,5 Milliarden Euro müsste Deutschland zahlen, wenn die Eurozone die Hälfte der Forderungen abschreibt. Zehn Milliarden gingen an den Rettungsfonds EFSF.
BERLIN taz | Die Schulden des Eurostaates Griechenland steigen, anstatt zu sinken. Die Gläubiger, darunter Deutschland, diskutieren deshalb erneut, wie dem Land zu helfen ist. So schlägt der Internationale Währungsfonds vor, dass die Regierungen auf einen Teil ihrer Kredite verzichten sollen, die sie Griechenland gewährt haben. Unter anderem für Deutschland wäre diese Variante allerdings teuer.
Würde die Eurozone beispielsweise die Hälfte ihrer Forderungen abschreiben, verursachte das für Deutschland Kosten in Höhe von etwa 17,5 Milliarden Euro. Diese setzten sich zusammen aus einem Verzicht auf ungefähr 7,5 Milliarden Euro, die die öffentliche KfW-Banken-Gruppe Griechenland im Rahmen des ersten Hilfspakets gegeben hat.
Die Bundesregierung müsste der KfW diesen Verlust ersetzen. Hinzu kämen etwa 10 Milliarden Euro, die Deutschland dem europäischen Rettungsfonds EFSF erstatten müsste, wenn dieser Kredite an Griechenland abschreibt, die er bisher im zweiten Hilfspaket gewährt hat.
Möglicherweise würden diese Zahlungen im Bundeshaushalt 2013 zu Buche schlagen. Die Folge: Die Bundesregierung könnte die Schuldenbremse nicht bereits im kommenden Jahr einhalten. Ein ausgeglichenes Staatsbudget ohne neue Schulden für 2014, wie es Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) anvisiert, wäre fraglich.
Schlechter Eindruck
Der Bundesfinanzminister will diesen Weg deshalb keinesfalls einschlagen. Milliardenzahlungen kurz vor der Bundestagswahl 2013 machen einen schlechten Eindruck. Schäuble und auch der Regierungssprecher argumentieren deshalb, ein Schuldenverzicht sei gar nicht möglich, weil dann das laufende Hilfsprogramm für Griechenland zusammenbreche.
Sie verweisen auf den Artikel 39 der Bundeshaushaltsordnung: Regierung und Parlament dürften nur in dem Fall Bürgschaften für Kredite übernehmen, wenn die Rückzahlung gesichert ist. Der Schuldenschnitt aber würde diese Voraussetzung zunichtemachen, heißt es. Der grüne Finanzexperte Gerhard Schick sieht das anders. Die Haushaltsordnung stehe dem dringend notwendigen Schuldenschnitt nicht im Weg.
Finanzminister Schäuble rät Griechenland, lieber Schuldscheine von privaten und staatlichen Gläubigern zurückzukaufen. Diese werden augenblicklich zu einem Bruchteil ihres Ausgabewertes gehandelt. Dadurch könne Athen seine Belastung kostengünstig reduzieren.
29 Oct 2012
AUTOREN
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
Die Finanzhilfe für Griechenland wird deutlich geringer ausfallen als bei den ersten beiden Rettungspakten, sagt Finanzminister Schäuble. Er rechne nicht mit einem Totalausfall.
Anhänger der rechtsradikalen Partei Goldene Morgenröte haben in Athen Geschäfte von Ausländern angegriffen. Dabei wird ein Mann schwer verletzt.
Aus CSU und CDU mehren sich Stimmen, die einem neuen Hilfspaket aufgeschlossen gegenüberstehen. Vorerst will man auf den Abschlussbericht der Troika warten.
Die Schulden Griechenlands sind einfach nachgewachsen. Jetzt kann man das Land nicht einfach wieder zum Friseur schicken, sagt Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble sinngemäß.
Um neue Finanzhilfe zu erhalten, sollen die Griechen noch mehr sparen. Zugleich steht aber ein Schuldenerlass im Raum. Finanzminister Schäuble lehnt die allerdings ab.
Griechenland braucht Medien zufolge offenbar einen neuen Kredit in Höhe von etwa 20 Milliarden Euro. Grund sei, dass das Land erst 2016 wieder ohne Defizit sein werde.
Die Wahrheit hinter dem Aufschub für die griechischen Sparvorgaben lautet: Experten, Gläubiger und alle anderen Retter wissen nicht mehr weiter.