taz.de -- Pro und Contra Waffen nach Syrien: Aufständische aufrüsten

Die EU-Außenminister heben das Waffenembargo gegen Syrien auf und machen den Weg für Rüstungslieferungen an die Rebellen frei. Würde damit Leid gelindert werden?
Bild: Wird mit europäischen Waffen Frieden geschaffen? Ein syrischer Rebell

Pro: Staatsterrorismus Einhalt gebieten

Reporter der französischen Tageszeitung Le Monde berichten von Giftgaseinsätzen der Assad-Armee in Syrien. Menschenrechtsgruppen beklagen jedoch auch Verbrechen der Aufständischen. Assads Luftwaffe macht ganze Städte, wie zuletzt al-Kusair nahe der libanesischen Grenze, dem Erdboden gleich. Im Bodenkampf stützt sich der Despot aus Damaskus auf libanesische Hisbollah-Milizen sowie iranische Revolutionsgardisten. Der Bürgerkrieg ist seit Monaten eskaliert und internationalisiert.

In dieser Situation klingt es wie ein schlechter Witz, wenn Westerwelle und de Maizière überlegen, ob es an der Zeit wäre, der syrischen Opposition einige schusssichere Westen zu liefern. Und unter Umständen ein wenig Verbandsmaterial.

Die laizistischen Kräfte geraten in Syrien jeden Tag weiter ins Hintertreffen, da die Europäer zaudern und so vor allem religiös orientierte Organisationen und Staaten der bewaffneten Opposition Hilfe leisten.

Wer befürchtet, wirksame Waffensysteme gegen Assads Luftwaffe könnten in die falschen Hände geraten, hätte längst von außen zumindest eine Flugverbotszone durchsetzen müssen. Humanismus, Menschen- und Völkerrecht gebieten es, dem Staatsterrorismus in Syrien endlich Einhalt zu gebieten. Der demokratische Teil der Staatengemeinde wäre dazu verpflichtet. Er verfügt über die militärischen Mittel, das Leiden der syrischen Bevölkerung zu verringern. Doch der politische Wille fehlt, vor allem bei Regierungen wie der deutschen, was schwer nachvollziehbar ist.

Ohne dass Assads Luftwaffe auf den Boden geholt, die paramilitärischen Verbände aus Libanon und Iran des Landes verwiesen werden, kann es in Syrien keine befreiten Gebiete geben. Und ohne diese nicht die Etablierung einer geordneten zivilen Opposition. Assads Politik der verbrannten Erde darf nicht aufgehen. Der Bürgerkrieg begann, als sich immer mehr Soldaten weigerten, auf zivile Demonstrationen zu schießen. Es ist Bürgerpflicht, einen staatlichen Mordauftrag zu verweigern. Und es gibt ein Recht auf Notwehr. ANDREAS FANIZADEH

Contra: Keine realistische Aussicht

Im syrischen Bürgerkrieg hat keine der Konfliktparteien eine realistische Aussicht auf einen endgültigen militärischen Sieg. Auch die Freie Syrische Armee (FSA) nicht, selbst wenn sie all die Waffensysteme erhielte, über die bislang nur die Streitkräfte des Assad-Regimes verfügen. In der Logik einer solchen Aufrüstungsdynamik läge es, der FSA dann demnächst auch Chemiewaffen zu liefern, weil diese nach jüngsten, nicht bewiesenen Behauptungen der Zeitung Le Monde bereits mehrfach von Assads Soldaten eingesetzt worden sein sollen.

Waffenlieferungen an die FSA sind daher nicht nur der falsche Weg, sondern sogar kontraproduktiv. Denn sie würden die Aufrüstungsspirale noch weiter anheizen und das Leiden der Zivilbevölkerung weiter verschärfen. Das zeigen alle historischen Erfahrungen mit vergleichbaren Konfliktkonstellationen.

In Syrien kommt erschwerend hinzu, dass ein Teil der bislang schon an die FSA gelieferten Waffen und Munition in die Hände der Al-Nusra-Brigaden und anderer islamistischer Milizen geraten sind. Die von den EU-Außenministern zum Beweis angeblicher Einigkeit beschlossenen „Richtlinien“, wonach Waffen aus dem EU-Raum künftig nicht an Abnehmer gehen dürfen, die diese Waffen „zur Unterdrückung von Menschen verwenden wollen“, ist daher reine Augenwischerei.

Allerdings sind die offiziellen Kritiker der Aufhebung des EU-Waffenembargos - mit Ausnahme Luxemburgs, Österreichs und einiger anderer, selbst nicht an Waffenexporten interessierter Länder - unglaubwürdig und verlogen. Das gilt für die russische Regierung, die das Assad-Regime weiterhin aufrüstet. Das gilt aber auch für die deutsche Bundesregierung. Zum einen hat Deutschland als Mitglied im Club der sogenannten Freunde Syriens bereits Ende 2011 den Plänen zugestimmt, dass Saudi-Arabien und Katar Waffenlieferungen an die FSA finanzieren und die USA FSA-Kämpfer in Jordanien ausbilden und bewaffnen. Zudem beliefert die Regierung Merkel/Westerwelle Saudi-Arabien und andere Nahoststaaten hemmungslos und in großem Umfang mit Waffen für den Einsatz gegen Oppositionskräfte. ANDREAS ZUMACH

28 May 2013

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Andreas Fanizadeh
Andreas Zumach

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