taz.de -- Portugals Finanzminister: Rücktritt, weil der Rückhalt fehlt

Portugals Finanzminister Vítor Gaspar gibt auf, weil er die Unterstützung der Bevölkerung nicht mehr spürt. Die Märkte reagieren nervös, dabei ist die Nachfolge geregelt.
Bild: Als Architekt des strikten Sparprogramms gescheitert: Vítor Gaspar.

BERLIN/LISSABON rtr | Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble hat mit Bedauern auf den Rücktritt seines portugiesischen Amtskollegen Vítor Gaspar reagiert. Gaspar habe entschieden daran gearbeitet, das Land zurück auf den Pfad der wirtschaftlichen Erholung zu führen, sagte der CDU-Politiker am Dienstag zu Reuters: „Ich bedauere die Entscheidung meines Freundes und Kollegen.“

Gaspar hatte am Montag wegen des schwindenden Rückhalts in der Bevölkerung für das Reformprogramm das Handtuch geworfen. Er gilt als Architekt der umstrittenen strikten Sparmaßnahmen, die Portugal im Gegenzug für das Hilfsprogramm im Volumen von 78 Milliarden Euro den Europartnern und dem Internationalen Währungsfonds zugesagt hatte.

Schäuble sagte, er werde Gaspar als verlässlichen und beherzten Kämpfer für die Interessen Portugals vermissen. Es sei gut, dass ihm mit Maria Luis de Albuquerque eine seiner engsten Vertrauten in dem Amt nachfolge. Sie sei eine Schlüsselfigur bei der Umsetzung des Anpassungsprogramms gewesen: „Es ist gut zu wissen, dass Portugal auf Kurs bleibt“, sagte Schäuble.

Der Rücktritt Gaspars sorgte am Rentenmarkt für Nervosität. Anleger verkauften die zehnjährigen Anleihen des Landes, ihre Rendite klettere zeitweise auf 6,681 Prozent von 6,399 Prozent im Schlussgeschäft am Montag. Auch die Kosten für Kreditausfallversicherungen (CDS) kletterten in die Höhe.

Nach Angaben der portugiesischen Statistikbehörde hat sich das Loch im Staatshaushalt im ersten Quartal auf 10,6 Prozent nach 7,9 Prozent im Vorjahreszeitraum vergrößert. Damit droht die Regierung ihre Haushaltsvorgaben im Zuge der milliardenschweren Rettungshilfen zu verfehlen.

2 Jul 2013

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