taz.de -- Kurz vor Beginn der Friedensgespräche: 26 palästinensische Häftlinge frei

Israel hat in der Nacht einen vergeltenden Luftangriff im Gazastreifen geflogen. Gleichzeitig wurden 26 palästinensische Langzeithäftlinge freigelassen.
Bild: Große Freunde in Ramallah: In der Nacht ließ Israel als Zeichen des guten Willens 26 palästinensische Häftlinge frei.

JERUSALEM TEL AVIV/RAMALLAH/GAZA dpa/afp | Kurz vor dem offiziellen Beginn der Nahost-Friedensgespräche hat Israel einen Luftangriff im Gazastreifen geflogen. Der Einsatz habe sich gegen zwei Orte gerichtet, von denen Raketen in Richtung Israel abgefeuert worden seien, sagte ein Armeesprecher am Mittwoch. Eine der Raketen explodierte demnach auf israelischem Gebiet, verletzte jedoch niemanden.

Die im Gazastreifen herrschende radikalislamische Hamas müsse die Verantwortung übernehmen „für jede Verletzung der israelischen Souveränität“, sagte der Armeesprecher. Das „terroristische Regime, das sie errichtet hat, wird die Verantwortung für jede terroristische Aktivität tragen, die vom Gazastreifen ausgeht“, fügte er hinzu. Die Hamas lehnt die Friedensgespräche zwischen Israelis und Palästinensern ab und spricht es Palästinenserpräsident Mahmud Abbas ab, dabei alle Palästinenser zu repräsentieren.

In der Nacht zum Mittwoch hat Israel als Zeichen des guten Willens 26 palästinensische Langzeithäftlinge freigelassen. Elf von ihnen passierten in der Nacht zum Mittwoch den Beitunia-Kontrollpunkt in das Westjordanland. 15 weitere folgten wurden wenig später über den Eres-Kontrollpunkt in den Gazastreifen gebracht. An beiden Übergängen wurden die Häftlinge von hunderten von Menschen jubelnd in Empfang genommen.

An diesem Mittwoch ist in Jerusalem die zweite Runde der Friedensgespräche zwischen Israel und den Palästinensern geplant. In Ramallah empfing Palästinenserpräsident Mahmud Abbas die Freigelassenen. „Wir begrüßen unsere Brüder, die die Dunkelheit der Gefängnisse in Richtung des Lichts der Freiheit verlassen haben“, sagte er. Zugleich äußerte er seine Hoffnung auf die baldige Freilassung weiterer Häftlinge, wie regionale Medien berichteten. „Wir werden nicht ruhen, bis alle bei uns sind.“ Abbas hatte die schrittweise Freilassung von insgesamt 104 Langzeithäftlingen als Bedingung für neue Gespräche gefordert.

Beschuss der israelischen Grenzstadt

Kurz vor der Rückkehr der Ex-Häftlinge feuerten dann militante Palästinenser eine Rakete aus dem Gazastreifen auf Israel ab. Sie schlug in einem offenen Gebiet nahe der Grenzstadt Sderot ein. In der Nacht zuvor hatte das Abwehrsystem Eisenkuppel erstmals eine auf die Küstenstadt Eilat abgefeuerte Rakete abgefangen.

Mehrere Fahrzeuge mit den Häftlingen waren am Abend aus dem Ajalon-Gefängnis in der Nähe von Tel Aviv aufgebrochen. Israels Höchstes Gericht hatte zuvor eine Klage von Familien der Terroropfer abgewiesen und damit den Weg für die Freilassung der Häftlinge freigemacht.

Die Häftlinge, die alle wegen Mordes oder Beihilfe zum Mord verurteilt worden waren, wurden erstmals in Fahrzeugen mit abgedunkelten Fenstern transportiert. Damit wollte Israel verhindern, dass die Palästinenser auf dem Weg in die Freiheit auftrumpfen und wie bei früheren Tauschhandeln im Fenster mit den Fingern Siegeszeichen machen. Wütende jüdische Demonstranten riefen „Tod den Arabern“, als die Fahrzeugkolonne an ihnen vorbeifuhr.

Vor ihrer endgültigen Freilassung mussten die Häftlinge eine Erklärung unterzeichnen, dass sie wieder ins Gefängnis und ihre volle Strafe absitzen müssen, falls sie sich wieder an Terroraktivitäten beteiligen. Von mehr als 1000 Häftlingen, die Israel vor zwei Jahren im Gegenzug für den entführten Soldaten Gilad Schalit freigelassen hatte, sind 44 inzwischen wieder in Haft.

Ziel: Palästinenserstaat

Auf Vermittlung der USA hatten Israel und die Palästinenser den Friedensprozess vor zwei Wochen nach knapp dreijährigem Stillstand wieder in Gang gesetzt. Ziel ist ein Friedensabkommen binnen neun Monaten und ein unabhängiger Palästinenserstaat.

Israel provozierte die Palästinenser jedoch vor dem Beginn der Vorgespräche mit neuen Siedlungsprojekten. Die Jerusalemer Stadtverwaltung bestätigte am Dienstag Baupläne für 890 Wohnungen im Gilo-Viertel, das auf 1967 erobertem Gebiet liegt. Erst am Sonntag hatte das Wohnungsbauministerium Ausschreibungen für den Bau von knapp 1200 Wohnungen im Westjordanland und Ost-Jerusalem angekündigt. Bauminister Ariel von der nationalistischen Partei Jüdisches Heim ist ein vehementer Verfechter des Siedlungsbaus. Seine Partei lehnt die Gründung eines eigenen Palästinenserstaats ab.

Der palästinensische Chefunterhändler Saeb Erekat sagte nach Angaben des arabischen TV-Senders Al-Dschasira, die israelischen Baupläne zerstörten die Chancen auf Frieden. Erekat trifft sich am Mittwochabend in Jerusalem mit der israelischen Verhandlungsführerin Zipi Livni.

US-Außenminister John Kerry betonte, dass die neuen Pläne dem Wiederbeginn der Gespräche nicht im Weg stünden. Zwar wäre es besser gewesen, den Bau neuer Siedlungen zu vermeiden, sagte Kerry während eines Besuchs in Brasilien. In der Diskussion müssten aber auch die Gegebenheiten innerhalb Israels berücksichtigt werden, worüber sich auch Abbas im Klaren sei. Kerry habe Netanjahu in einem Telefonat verdeutlicht, dass die Siedlungen aus Sicht der USA unrechtmäßig sind. „Wir lehnen Siedlungen zu jeder Zeit ab, nicht nur während des Friedensprozesses.“

Auch mit Abbas wollte Kerry am Dienstag telefonieren. Er hatte sich monatelang intensiv um eine Wiederaufnahme der Kontakte bemüht. Nach seinen Angaben sollen alle Kernprobleme im Nahost-Konflikt auf den Tisch kommen. Dazu zählen die Grenzziehung, die Zukunft Jerusalems sowie das Schicksal der palästinensischen Flüchtlinge und Sicherheitsgarantien für Israel.

14 Aug 2013

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