taz.de -- Iran weiter auf Entspannungskurs: Charmeoffensive aus Teheran

PR-Kampagne auf iranisch: Präsident Rohani darf direkte Gespräche mit den USA führen. Schon nächste Woche wird er vor der UN-Vollversammlung reden.
Bild: In den iranischen Atomanlagen führt angeblich niemand etwas böses im Schilde.

BERLIN taz | Der neue iranische Präsident Hassan Rohani ist ein eifriger Twitterer. Kein Tag vergeht, an dem er seine Mitarbeiter nicht auf dem ihm zugeschriebenen Account zwitschern lässt. Vorwiegend sind es Verlautbarungen und Glückwünsche, aber immer wieder ist auch eine politische Botschaft darunter. „Die Tage, wo man eine Mauer um ein Land bauen konnte, sind vorbei. Es gibt keine Mauern mehr“, heißt es etwa in einem Tweet von dieser Woche.

Rohani spricht sich nicht zum ersten Mal für eine Öffnung und mehr Freiheit aus. Doch noch nie sind derartige Äußerungen in einer PR-Kampagne eingebettet gewesen, die derzeit in Washington und den europäischen Hauptstädten gleichermaßen Verblüffung auslöst. Gestern wurde sogar die prominente Menschenrechtsanwältin Nasrin Sotudeh begnadigt und zusammen mit mehr als einem Dutzend anderer politischer Gefangener freigelassen.

Um sein Land aus der internationalen Isolation zu führen, muss Rohani allerdings vor allem den Atomkonflikt entschärfen. Erstmals hat er dafür offenbar nun das Plazet vom geistlichen Führer Ali Chamanei, der in allen Dingen das letzte Wort hat. Er habe „die volle Macht und komplette Autorität“, um ein Atomabkommen abzuschließen, sagte Rohani am Mittwochabend im US-Sender NBC. Er wiederholte auch das Mantra der iranischen Führung, dass sein Land keine Atomwaffen anstrebe.

Chamenei selbst, ein Hardliner, gab sich ebenfalls betont moderat. In einer Rede vor den einflussreichen Revolutionsgarden sagte er diese Woche, er sei „nicht gegen angemessene Schritte in der Diplomatie“. Oftmals sei die „Flexibilität eines Ringers“ notwendig, der zuweilen aus taktischen Gründen nachgebe.

Nicht zuletzt deshalb dürfte Rohani nächste Woche der Star unter den Rednern vor der UN-Vollversammlung sein. Es wird sogar damit gerechnet, dass er konkrete Vorschläge zu den Atomverhandlungen vorstellt. Ob es zu einer direkten Begegnung mit US-Präsident Barack Obama kommt, ist indes noch unklar.

Briefwechsel mit Obama

Zu Rohanis Charmeoffensive gehört auch ein Briefwechsel mit Obama. Als Obama Rohani zur Wahl gratulierte, nutzte dieser die Gelegenheit zur direkten Kontaktaufnahme. Obama sei „positiv und konstruktiv“ gewesen, sagte Rohani. Ausgetauscht wurden die Schriftstücke über die Schweizer Botschaft, die die US-Interessen vertritt.

Für gute Stimmung sorgt zudem, dass Rohani darum bemüht ist, sich von der Krawalldiplomatie und den antisemitischen Ausfällen seines Vorgängers Mahmud Ahmadinedschad abzugrenzen. Per Twitter wünschte er beispieslweise vorzwei Wochen den Juden in aller Welt ein schönes neues Jahr. Und nun folgte auch noch eine sachte Ablösung vom syrischen Regime.

„Wen immer die syrischen Bürger wählen, wir sind damit einverstanden“, so Rohani. Der Einsatz von Chemiewaffen in Syrien weckt bei den Iranern schlimme Erinnerungen. Irak hatte im Golfkrieg Chemiewaffen gegen den Iran eingesetzt. Mehr als 50.000 Menschen leiden noch unter den Spätfolgen.

Die große Frage bleibt jedoch, ob die Hardliner der islamischen Republik eine echte und dauerhafte Annäherung an den Westen tatsächlich zulassen werden. Denn der Iran besteht aus zwei Machtzentren: der gewählten Regierung mit dem Präsidenten an der Spitze und dem geistlichen Führer Chamenei mit all den Institutionen, die ihm direkt unterstehen.

Wie die Machtteilung in der Praxis aussieht, hat die kurze Freigabe von sozialen Medien diese Woche gezeigt. Twitter und Facebook waren zur Freude vieler Nutzer plötzlich freigeschaltet. Wenige Stunden später wurde allerdings schon wieder der Stecker gezogen. Offiziell hieß es, die Freigabe sei ein rein technischer Fehler gewesen.

19 Sep 2013

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Silke Mertins

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