taz.de -- Grüne Personalpolitik: Die neuen Hoffnungsträger

Die alte Generation der Partei tritt ab. Welche Frauen und Männer sie beerben könnten, wer bleiben will – und wer schon abwinkt: Wir stellen sie vor.
Bild: Man kann nicht sagen, dass Cem Özdemir alles getan hätte, um Parteichef zu werden – will es aber wohl bleiben

Simone Peter könnte Parteichefin werden - und als linke Frau Claudia Roth ablösen.

Es gab einmal diese Stunde, da musste Simone Peter springen. Die Jamaika-Koalition im Saarland, jene ungewöhnliche Mischung aus CDU, FDP und Grünen, scheiterte Anfang 2012. Einer ihrer Väter war der All- und Immerherrscher der Saar-Grünen, Hubert Ulrich. Der aber sah nach dem Untergang Jamaikas keinerlei Anlass kürzerzutreten.

Doch Umweltministerin Simone Peter fasste Mut und sammelte Truppen: Sie wurde Spitzenkandidatin zur Neuwahl 2012 - na ja, neben Ulrich. Der sitzt nun als einziger weiterer Grüner neben ihr im saarländischen Landtag. Eine Machtbasis sieht anders aus.

Doch kennt die 47-Jährige das Berliner Geschäft ganz gut. Die studierte Mikrobiologin hat die Agentur für Erneuerbare Energien in Berlin mit aufgebaut und bis 2009 dort gearbeitet.

Kerstin Andreae könnte Fraktionschefin werden - und als Reala Renate Künast beerben. Sie müsste dann aber auch Katrin Göring-Eckardt herausfordern.

Lange war Andreae von den „Realas“ mit Hang zum Mittelstand eine der Unbekannteren. Christine Scheel etwa war immer prominenter, auch als Hassfigur. Das nützt Andreae nun: Solide hat sie seit 2002 im Bundestag an solchen Themen wie Kommunalfinanzen gearbeitet. 2012 wurde sie Vizefraktionsvorsitzende mit Wirtschaftszuständigkeit, ohne zu viel Unmut des linken Flügels auf sich zu lenken.

Dieses Jahr kam sie wirklich aus der Deckung, denn sie wollte in Freiburg das Direktmandat holen, unterlag allerdings mit 20,9 Prozent dem CDU- wie auch dem SPD-Kandidaten. Eines ihrer Themen in Freiburg war Beruf und Familie. Darüber kann die 44-Jährige mit einem großen und zwei kleinen Kindern glaubwürdig berichten.

Toni Hofreiter will Fraktionschef werden - und als linker Mann Jürgen Trittin ablösen. Am Dienstagnachmittag erklärte er seine Kandidatur.

Ein ausgewiesener Linker mit Schwerpunkt Umwelt und Verkehr: Das ist das Profil, das derzeit auch bei den Realos Anklang findet. Anton „Toni“ Hofreiter, seit 2005 im Bundestag, wurde 2011 Vorsitzender des Verkehrsausschusses. Da wurde schnell deutlich, dass der Toni aus Sauerlach in Bayern mit den merkwürdig langen blonden Haaren ein zuverlässiger Sacharbeiter ist.

Den konsequenten Flügelmann zum Fraktionschef zu machen, wäre partei- wie medienpolitisch ein gewisses Wagnis. Der 43-Jährige ist in der Vergangenheit mehrfach durch Ehrlichkeit und Mangel an Intriganz aufgefallen. Selbst seine Absicht, Jürgen Trittin zu beerben, ließ er vor der Bundestagswahl so früh streuen, dass an ein Gelingen kaum zu glauben war.

Robert Habeck schließt als Realo-Mann Kandidatur gegen Özdemir aus

Schleswig-Holsteins Energiewendeminister Robert Habeck hat eine Kandidatur gegen Grünen-Chef Cem Özdemir ausgeschlossen. „Ich bin mit dem Minister hier noch nicht fertig“, sagte Habeck taz.de am Mittwoch. „Den Job will ich hier durchziehen und nicht halbangefangen liegen lassen, insofern stellen sich Vorsitz-Überlegungen nicht.“

Der Grünen-Vorstand möchte im Herbst zurücktreten, um eine personelle Erneuerung zu ermöglichen. Der jetzige Parteivorsitzende Cem Özdemir hat bereits angekündigt, sich erneut um den Posten zu bewerben.

Habeck, der wie Özdemir dem Realo-Flügel der Partei zugerechnet wird, wurde intern als möglicher Gegenkandidat für den Vorstand gehandelt. Es gibt Leute, die wissen ganz genau, wie hoch sie ihre Ziele stecken dürfen - und darum haben sie auch immer Erfolg. Robert Habeck ist bislang „nur einmal aufs Maul gefallen“, wie er selbst sagte: Bei der Kandidatur um einen Platz im Bundesvorstand unterlag er 2006 dem weniger öffentlichkeitswirksamen Malte Spitz. In einer Literatur- und Erziehungsgemeinschaft mit der Schriftstellerin Andrea Paluch samt vier Söhnen an der dänischen Grenze aufgehoben, hielt Habeck sich lange aus vielem heraus.

Ernst gemacht hat der heute 44-Jährige 2009, wurde Fraktionschef in Schleswig-Holstein und nach den Landtagswahlen 2012 auch Energiewendeminister.

Katrin Göring-Eckardt will Fraktionsvorsitzende werden - und als Realo-Frau Renate Künast ablösen. Am Dienstagnachmittag erklärte sie ihre Kandidatur.

Auch nach Göring-Eckardts Meinung ist demnach der andere Spitzenkandidat, Jürgen Trittin, für das Wahlergebnis verantwortlich. Tatsächlich bringt Göring-Eckardt auch Erfahrung mit: Was die 47-Jährige in den vergangenen Jahren sehr wenig durchblicken ließ, war ihre besondere Rolle als Fraktionschefin zu rot-grünen Agenda-2010-Zeiten: Da verteidigte sie das Sozialabbauprogramm weit enthusiastischer als viele andere.

Die Partei schob sie zur Strafe aufs Abstellgleis im Bundestagspräsidium. Das Comeback als per Basisvotum gekürte Spitzenkandidatin war jedoch überzeugend. Nur: Da vertrat sie all die Dinge, die sie als Reala-Fraktionschefin ab sofort keinesfalls mehr vertreten dürfte. Zeit für den nächsten 180-Grad-Schwenk.

Cem Özdemir will offenbar Parteichef bleiben – und als Realo-Mann auf dem Parteitag seinen Posten verteidigen.

Man kann nicht sagen, dass Cem Özdemir alles getan hätte, um Parteichef zu werden. Als Reinhard Bütikofer 2008 plötzlich den damals schon allseits verlangten Generationenwechsel umsetzte und sich Richtung EU-Parlament abseilte, musste Özdemir vom Sinn einer Kandidatur erst überzeugt werden. Er mochte seinen Sitz im EU-Parlament eigentlich sehr gern; seine Karriere im Bundestag hatte 2002 ein abruptes vorläufiges Ende gefunden.

Als Parteichef hat der 47-jährige Özdemir aber neues Profil als Weltpolitiker, Integrator und Medienliebling gewonnen. Innerhalb seines Realoflügels wird ihm allerdings auch ein gewisser Mangel an Durchsetzungskraft vorgeworfen: Er hätte Jürgen Trittin mehr entgegensetzen müssen, heißt es.

25 Sep 2013

AUTOREN

Ulrike Winkelmann

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