taz.de -- Kommentar Shutdown in den USA: Geld oder Ideologie

Noch scheinen die Banker zu glauben, dass in Washington nur ein harmloser Schaukampf aufgeführt wird. Die Wall Street könnte sich damit verrechnen.
Bild: Wer entscheidet wirklich im Kapitol?

Wie mächtig sind die Investmentbanker noch? Und schätzen sie die Lage richtig ein? Bei solchen Fragen ist der Haushaltspoker in den Vereinigten Staaten inzwischen angekommen. Präsident Obama gab am Mittwoch sogar eigens ein Fernsehinterview, um die Investmentbanken aufzufordern, sich endlich einzumischen und die Republikaner zur Vernunft zu bringen. Denn, so warnte Obama düster, falls die USA Bankrott anmelden müssten, würden auch die Aktionäre leiden.

Bisher scheint die Wall Street jedoch nicht besonders alarmiert zu sein: Die Aktienkurse schwanken nur leicht, und auch die Zinsen für US-Staatsanleihen sind kaum gestiegen. Noch scheinen die Investmentbanker zu glauben, dass in Washington nur ein harmloser Schaukampf zwischen Demokraten und Republikanern aufgeführt und der Government Shutdown bald wieder aufgehoben wird.

Schließlich ist es ja nicht das erste Mal in der amerikanischen Geschichte, dass Behörden schließen müssen, weil sich der Kongress nicht auf einen Haushalt einigen konnte.

Allerdings könnte es gut sein, dass sich die Wall Street verrechnet. Denn in der Vergangenheit gab es keine radikale Tea Party, die kompromisslos gegen den Staat und einen schwarzen Präsidenten kämpfte. Es ist durchaus möglich, dass diese fanatischen Ideologen tatsächlich eine schwere Rezession oder gar den Bankrott der USA riskieren, indem sie keine neuen Schulden bewilligen. An einem Crash aber kann die Wall Street kein Interesse haben, weil dann Profite und Boni gefährdet wären.

Wer ist mächtiger?

Damit aber entsteht eine völlig neue Schlachtordnung, die Obama in seinem Fernsehinterview indirekt richtig charakterisiert hat: Wer ist mächtiger – die Wall Street oder die Tea Party?

Die Antwort ist weniger eindeutig, als man meinen könnte. Bisher hat zwar immer Big Money in Washington regiert, und auch beim Wahlkampf 2012 war die Finanzindustrie sehr spendabel und hat viele Millionen Dollar an Präsidentschaftskandidaten und Kongressmitglieder verteilt.

Die amerikanische Politik ist extrem käuflich – und dennoch ist es denkbar, dass sich ausgerechnet die Tea Party nicht kaufen lässt, weil sie offenbar überzeugt ist, dass sie den Staat in seine Schranken weisen und das Sozialsystem demontieren muss. Geld gegen Ideologie – auf diesen Zweikampf läuft die Auseinandersetzung in den USA hinaus.

3 Oct 2013

AUTOREN

Ulrike Herrmann

TAGS

USA
Shutdown
Haushaltsstreit
Wall Street
Washington
USA
Shutdown
USA
USA
USA
Shutdown
Shutdown
Gesundheitspolitik
USA
USA
US-Kongress

ARTIKEL ZUM THEMA

Haushaltsstreit in den USA: Etwas Licht, doch der Tunnel ist lang

Im US-Finanzstreit gibt es Bewegung. Die Republikaner schlagen vor, das Schuldenlimit anzuheben. US-Präsident Barack Obama äußert sich optimistisch.

Haushaltsstreit in den USA: Unter Erpressern

Obama will eine sofortige Abstimmung zur Beendigung des Shutdowns, der Republikaner Boehner will sofortige Verhandlungen. Der Präsident spricht von Erpressung.

Shutdown in den USA: Außenpolitik auf Sparflamme

Wegen des Verwaltungsstillstandes sagen die USA internationale Verhandlungen ab. Auch die Sanktionen gegen Syrien können nicht mehr kontrolliert werden.

Heiner Flassbeck über US-Haushaltsstreit: „Das spürt auch Europa“

Mit einem Bankrott der USA ist nicht zu rechnen, sagt Ökonom Heiner Flassbeck. Doch könnte die Blockadepolitik der Republikaner eine neue globale Rezession auslösen.

Wegen Haushaltsstreits in den USA: Obama cancelt Asien-Reise

US-Präsident Barack Obama macht die Suche nach einer Lösung des Haushaltsstreits zur Toppriorität. Eine geplante Reise nach Asien sagte er deshalb ab.

Verfolgungsjagd in Washington: Erschossene Frau war depressiv

Die Amokfahrt einer Frau mit Kind am Bord durch die US-Hauptstadt hatte wohl kein terroristisches Motiv. Die 34-jährige hatte offenbar nicht mal eine Waffe bei sich.

US-Verwaltung weiter im Shutdown: Spitzengespräch ohne Erfolg

Das erste Treffen von US-Präsident Obama mit den Führern im Kongress brachte keine Fortschritte. Nun wird auch die Finanzwelt nervöser.

US-Haushaltsblockade: Obamacare in der heißen Phase

Der Shutdown legt nicht alle Regierungsaktivitäten lahm. Weiten die Republikaner den Stillstand auf die Erhöhung der Schuldengrenze aus, droht Zahlungsunfähigkeit.

Kommentar Stillstand USA: Radikal rechts und ohne Respekt

Beinahe handlungsunfähige USA, viele Staatsangestellte im Zwangsurlaub: Die Tea Party zwingt ein ganzes Land zu Boden.

Keine Einigung im Kampf um den Haushalt: Stillstand in den USA

Wegen des andauernden Etatstreits in Washington beginnt das neue Haushaltsjahr ohne gültigen Haushalt. Zahlreiche Staatsbedienstete sind nun im Zwangsurlaub.

Haushaltsstreit in den USA: Und wieder droht der Shutdown

Die Republikaner wollen den Haushaltsstreit nutzen, um die Gesundheitsreform aufzuschieben. Präsident Obama warnt vor der Zahlungsunfähigkeit.