taz.de -- Nach der schwarz-grünen Sondierung: Wenn die Merkel nochmal klingelt

Falls die schwarz-roten Koalitionsgespräche scheitern: Was passiert dann? Die Grünen-Spitze will die Tür für die Union offen halten. Doch der Sound in der Partei ist dissonant.
Bild: Rechts wird verhandelt, links wird gestritten, ob man noch mal die Klinke runterdrückt

BERLIN afp/dpa | Die Grünen-Spitze will sich auf einem Parteitag am Wochenende eine Hintertür für neue schwarz-grüne Gespräche offenlassen. Falls keine große Koalition zustande kommt, könnten Union und Grüne demnach erneut miteinander reden. Im Leitantrag für die Delegierten beschreibt der Vorstand ausführlich, warum die Sondierung mit CDU/CSU keinen Durchbruch brachte. „Auf Grundlage der Ergebnisse dieser Sondierungsgespräche werden wir Grüne deshalb keine Koalitionsverhandlungen mit der Union aufnehmen“, heißt es weiter.

Längerfristig wollen sich die Grünen öffnen. „Grundsätzlich sind wir bereit, mit allen demokratischen Parteien zusammenzuarbeiten, wenn die inhaltlichen Schnittmengen tragen – wie wir bei den Sondierungsgesprächen mit der Union gezeigt haben“, heißt es in dem Antrag. Andere Koalitionsoptionen als Rot-Grün müssten grundsätzlich möglich sein - „sei es Rot-Grün-Rot oder Schwarz-Grün“. „Entscheidend sind und bleiben für uns die Inhalte.“

Trotz des Leitantrags herrscht jedoch Kakophonie unter den grünen SpitzenpolitikerInnen. Der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann und Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt zeigten sich offen für weitere Gespräche mit CDU und CSU, der frühere Fraktionsvorsitzende Jürgen Trittin und die Kandidatin für den Parteivorsitz, Simone Peter, lehnten dies hingegen ab.

Kretschmann sagte der [1][Frankfurter Allgemeinen Zeitung], es werde „mit Sicherheit“ eine weitere Sondierungsrunde von Grünen und Union geben, sollte es nicht zu einer großen Koalition kommen. „Es ist eine Tür geöffnet, die früher eher versiegelt schien.“ Auf diese Erfahrung lasse sich aufbauen. „Die Ausschließeritis hat jetzt ein Ende“, sagte er.

Göring-Eckardt sagte der [2][Passauer Neuen Presse], beide Seiten seien in den Sondierungen aufeinander zugegangen. „Das ist beachtlich und hat es bei den letzten Gesprächen 2005 zwischen Union und Grünen noch nicht gegeben.“ Die Union habe bei gesellschaftspolitischen Themen, zum Beispiel in der Asyl- und Flüchtlingspolitik, aber auch beim Thema doppelte Staatsbürgerschaft, Kompromissbereitschaft gezeigt.

Bei Klimaschutz und Energiepolitik sei aber zu wenig Bewegung erkennbar gewesen. Deswegen könne die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen nicht empfohlen werden. „Das heißt aber natürlich nicht, dass in Zukunft gemeinsame Gespräche zwecklos sind.“

Trittin: „Die Grünen sind eigenständig"

Die Sondierungsgespräche mit der Union hätten keine „gemeinsame Grundlage für Verhandlungen ergeben“, sagte hingegen Simone Peter der [3][Stuttgarter Zeitung] vom Donnerstag. „Da halte ich es für schwierig, sich dann gleich wieder zu Sondierungen zu treffen.“

„Die Grünen sind eigenständig“, sagte Jürgen Trittin der [4][Neuen Osnabrücker Zeitung] vom Donnerstag. Die Sondierungen hätten das Ergebnis erbracht, dass die meisten der von den Grünen geforderten neun Projekte – von der Energiewende bis zur Bürgerversicherung sowie mehr Geld für Bildung – „mit dieser Union“ nicht zu realisieren seien.

Die Grünen hatten nach den Sondierungen mit CDU und CSU in der Nacht zu Mittwoch erklärt, sie sähen keine ausreichende Grundlage für eine gemeinsame Regierungsbildung. Parteichef Cem Özdemir hatte danach weitere Sondierungen nach einem Scheitern von Schwarz-Rot nicht ausgeschlossen. Union und SPD treffen sich am Mittwoch zu einer dritten Sondierungsrunde und wollen danach voraussichtlich über die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen entscheiden.

17 Oct 2013

LINKS

[1] http://www.faz.net/aktuell/politik/bundestagswahl/im-gespraech-winfried-kretschmann-die-ausschliesseritis-hat-jetzt-ein-ende-12620582.html
[2] http://www.pnp.de/nachrichten/dpa/1079508_Gruene-streiten-ueber-Abgrenzung-von-der-Union.html
[3] http://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.interview-mit-simone-peter-gruene-von-der-csu-trennen-uns-kulturelle-unterschiede.3e9ab8f7-31c2-4c60-8872-2653e9afdf91.html
[4] http://www.noz.de/deutschland-welt/politik/artikel/421228/grune-streiten-uber-abgrenzung-von-der-union-1

TAGS

Jürgen Trittin
Katrin Göring-Eckardt
Winfried Kretschmann
Simone Peter
Sondierungsgespräche
Katrin Göring-Eckardt
Cem Özdemir
Jürgen Trittin
Dieter Janecek
Steuererhöhung
Landespolitik
Schwerpunkt Bundestagswahl 2025
Sondierung
Hessen-Wahl
Schwerpunkt Bundestagswahl 2025

ARTIKEL ZUM THEMA

Koalitionsverhandlungen mit CDU/CSU: Grüne Unschlüssigkeit

Über eventuelle Gespräche mit der Union sind die Grünen uneins. Bundestags-Fraktionschefin Göring-Eckardt ist dafür, Parteivorsitzende Peter dagegen.

Cem Özdemir als Grünen-Chef bestätigt: Keine bessere Alternative

Plötzlich ider Dienstälteste: Özdemir muss mit dem neuen Bundesvorstand Großes leisten. Gelingt es ihm, seine verunsicherte Partei aus der Nische zu führen?

Grünen-Parteitag nach Wahldebakel: Trittins Vermächtnis

Zum Abschied als Fraktionschef ein leises Servus? Nicht von Jürgen Trittin. In seiner Rede greift er Kretschmann an und erklärt Schwarz-Grün für substanzlos.

Streitgespräch um Grünen-Zukunft: „Wahrgenommen als Spaßbremsen“

Bei den Grünen tobt ein Richtungsstreit zwischen Realos und Linken. Ein Streitgespräch zwischen Vertretern beider Flügel: den Landeschefs in Bayern und Berlin.

Dritte Sondierung von SPD und Union: Spitzen wollen groß koalieren

Nach nur drei Stunden war klar: Die Führungsetagen der beiden Volksparteien streben jetzt Koalitionsgespräche an. Und Dobrindt hat sich mit Kraft ausgesöhnt.

Kommentar zu Schwarz-Grün: Das Warm-up für 2016

Schwarz-Grün nach der nächsten Abgeordnetenhauswahl? Für CDU-General Wegner und die grüne Fraktionschefin Pop ist das eine tolle Aussicht.

Kommentar Schwarz-grüne Perspektive: Eine große Inszenierung

Schwarz-grün ist geplatzt, die Stimmung zwischen den Parteien ist dennoch prächtig. Für das Jahr 2017 bedeutet dieser angeblich neue Sound nichts.

Sondierung Union und Grüne: Grüne wollen nicht mit Mutti

Nach der zweiten Sondierungsrunde lehnen die Grünen eine Regierungsbildung mit CDU und CSU ab. Die Union hält die Gegensätze der Parteien nicht für unüberwindbar.

Schwarz-grüne Sondierung in Hessen: Keine Gräben, keine Hürden

In Wiesbaden kommen sich CDU und Grüne wieder ein paar Schritte näher. Beide Seiten loben die Gespräche. Ein drittes Treffen ist geplant.

Koalitionspoker mit Schwarz-Grün: Kein drittes Spiel

Einen Tag nach den Sondierungen mit der SPD, trifft sich die Union zur zweiten Runde mit den Grünen. Fraktionchef Hofreiter will gleich darauf entscheiden, wie es weitergeht.