taz.de -- Kommentar Britischer AKW-Neubau: Ein Reaktor als Bankrotterklärung
Die Entscheidung der Briten für neue Meiler ist kein Sieg für die Atomwirtschaft, sondern das endgültige Eingeständnis ihrer Niederlage.
Es klingt nach einer guten Nachricht für die Atomwirtschaft: Großbritannien gibt tatsächlich grünes Licht für den Neubau eines Atomkraftwerks – erstmals nach mehr als zwei Jahrzehnten. Nur zwei Jahre nach der Katastrophe von Fukushima, so könnte man meinen, steht die Branche auch in Europa vor einem Comeback.
Wahr ist jedoch das Gegenteil. Die Entscheidung der Briten ist kein Sieg für die Atomwirtschaft, sondern das endgültige Eingeständnis ihrer Niederlage. Denn das Argument, Atomkraft sei preiswert, hat sich mit dem Deal endgültig erledigt. Der britische Staat bürgt nicht nur für einen Großteil der Investitionssumme, die in den neuen Reaktor von Hinkley Point fließt.
Noch wichtiger ist der Festpreis, den es für den Atomstrom gibt: Fast elf Cent bekommen die Betreiber pro Kilowattstunde garantiert. Das ist nicht nur mehr, als die deutschen Vebraucher heute für Strom aus Windkraft und großen Solaranlagen zahlen.
Der hohe Preis, der fortlaufend an die Inflationsrate angepasst wird, soll in Großbritannien auch noch für 35 Jahre gelten, während die Erneuerbaren in Deutschland nur 20 Jahre lang und ohne Inflationsausgleich Unterstützung erhalten.
Stets teurer als geplant
Insgesamt kommt die angeblich so wirtschaftliche Atomkraft die Stromkunden damit weit mehr als doppelt so teuer zu stehen wie Wind und Sonne. Selbst wenn man berücksichtigt, dass für erneuerbare Energien zunächst noch Reservekapazitäten bereitgehalten werden müssen, sind diese schon heute eindeutig billiger als Atomstrom. Und könnten noch billiger werden: Neue AKWs haben sich stets als teurer erwiesen als geplant, während sich die Produktion Erneuerbarer Energien weit günstiger entwickelte als prognostiziert.
Es ist die offizielle Bankrotterklärung: Unter europäischen Sicherheitsstandards rechnet sich die Atomkraft nur mithilfe von Subventionen, die deutlich höher sein müssen als die Beihilfen für Erneuerbare. In Großbritannien versucht die Regierung zwar, die Atompläne mit plumpen Lügen weiter als wirtschaftlich darzustellen. Auf Dauer kann das aber nicht gelingen – dazu sind die Fakten zu klar.
Ohne massive staatliche Interessen – sei es wegen der militärischer Nutzung oder wegen der Nähe zur Atomwirtschaft – werden AKWs in Europa keine Zukunft mehr haben. Für diesen Nachweis gebührt den Briten tiefer Dank.
21 Oct 2013
AUTOREN
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
Die EU-Kommission entscheidet in Kürze, ob Großbritannien neue AKWs fördern darf. Alle EU-Bürger können online Widerspruch einlegen.
London verpflichtet einen früheren Öl- und Gas-Manager trotz mehrerer Katastrophen. Nun soll er die Atomkraft voranbringen – zum Missfallen der EU.
Die Monopole der japanischen Energieversorger sollen gebrochen werden. Dass im Laufe der Reformen auch ein Atomausstieg erfolgt, ist unwahrscheinlich.
Unbezahlbare Energie: Zur traditionellen „Bonfire Night“ verbrennen linke Protestgruppen in London hohe Strom- und Gasrechnungen am Parlament.
Der Betreiber des havarierten AKWs Fukushima gerät unter Druck: Die Atomaufsicht erwartet mutige Schritte zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen.
Ein Erdstoß vor der Küste von Fukushima verursacht keine Schaden. Auch die Atomruine hält stand. Experten warnen aber vor Nachbeben und Tsunami.
Seit fast 20 Jahren gab es keinen AKW-Neubau mehr. Der französische Konzern EDL wird den Briten nun für 18,9 Milliarden Euro zwei Reaktoren auf die grüne Wiese stellen.
Innerhalb kurzer Zeit ist die Belastung des Meerwassers vor Fukushima mit radioaktivem Cäsium stark angestiegen. Die Ursache könnten Bauarbeiten sein.
Brüssel rückt von dem Förderplan zugunsten der Kernenergie ab, nicht zuletzt auf deutschen Druck. Befürworter war Frankreich.
Die Atommüll-Frage entzweit die Umweltminister von Schleswig-Holstein und Niedersachsen. Der eine will zwischenlagern, der andere nicht – nun soll’s der Bund lösen.