taz.de -- Britischer Strompreisprotest: Gasrechnung geht in Flammen auf

Unbezahlbare Energie: Zur traditionellen „Bonfire Night“ verbrennen linke Protestgruppen in London hohe Strom- und Gasrechnungen am Parlament.
Bild: Mit Guy-Fawkes-Maske beim „Austerity Bonfire“

LONDON taz | „Schießpulver, Verrat und Verschwörung sollten nie vergessen werden“, heißt es im englischen Volksmund zum Gedenken an Guy Fawkes (1570–1606), der militante Katholik, der einst das Parlament in Westminster in die Luft jagen wollte. Fawkes wurde am 5. November 1605 ertappt und hingerichtet.

Seither werden überall im Vereinigten Königreich jedes Jahr am 5. November Scheiterhaufen angezündet, auf denen oft eine Guy-Fawkes-Figur verbrannt wurde, früher auch Figuren anderer katholischer Persönlichkeiten. Inzwischen ist Guy-Fawkes-Night eher ein herbstliches Feuerwerksfest, mit Halloween vermischt.

Hätte da nicht im Jahre 1982 David Lloyd den Roman Alan Moores „V für Vendetta“ illustriert, in dem die anarchistische Hauptfigur eine Guy-Fawkes-Maske trägt. Diese Maske ist heute als Symbol der Occupy- und Anonymous-Bewegungen weltberühmt. Kein besserer Anlass also als der 5. November, um den Occupy-Protest zu seinen Ursprüngen zurückzuführen.

Ein im Juni entstandenes Konsortium von Protestgruppen gegen die Sparpolitik der Regierung zündete also am Dienstagabend auf der Westminster Bridge, die über die Themse zum Parlamentsgebäude führt, ein „Austerity Bonfire“. Statt Katholiken aufs Feuer zu stecken, sangen die Demonstranten, dass sie die Konservativen obendrauf und die Liberaldemokraten darunter legen wollen.

Rentner in Armut

Das war aber nicht offizielles Ziel der Veranstaltung. „Ziel ist es“, so sagte Koordinatorin, Jacqueline Howard, „auf dem Feuer die Strom- und Gasrechnungen zu verbrennen, die Rentner in Armut stürzen“.

Labours Jeremy Corbyn, zusammen mit Caroline Lucas von den Grünen einer der wenigen anwesenden Abgeordneten, sagte vor 500 Demonstranten und einem flackernden Feuer, es ginge darum, dass die Strom- und Gasnetze einst vom Volk geschaffen wurden. Die Rentnerin Ruth London forderte Großbritannien auf, dem Hamburger Modell „Unser Netz“ zu folgen.

Im Oktober errechnete die Gruppe [1][„Energy Bill Revolution“], dass nirgends in Europas außer Estland die Energieversorgung für so viele Leute unbezahlbar sei wie in Großbritannien. „Wir wollen uns deshalb symbolisch aufwärmen“, so Howard. Die hohen britischen Strompreise sind ein Politikum: Labour verspricht, sie im Falle eines Wahlsieges 2015 einzufrieren. Die Regierung tut das als Populismus ab. Aber das Thema zündet.

6 Nov 2013

LINKS

[1] http://www.energybillrevolution.org/

AUTOREN

Daniel Zylbersztajn

TAGS

Großbritannien
London
Energieversorgung
Strompreis
Schwerpunkt Atomkraft
AKW
EU
Offshore

ARTIKEL ZUM THEMA

Kommentar Britischer AKW-Neubau: Ein Reaktor als Bankrotterklärung

Die Entscheidung der Briten für neue Meiler ist kein Sieg für die Atomwirtschaft, sondern das endgültige Eingeständnis ihrer Niederlage.

Großbritannien setzt auf Atomstrom: Zwei Meiler in der Mache

Seit fast 20 Jahren gab es keinen AKW-Neubau mehr. Der französische Konzern EDL wird den Briten nun für 18,9 Milliarden Euro zwei Reaktoren auf die grüne Wiese stellen.

EU-Energiepolitik: Atomstrom ist jetzt Umweltschutz

Die EU-Kommission will den Bau neuer Kernkraftwerke erleichtern und entsprechende Subventionen ermöglichen. Es ist eine konsequent Folge der EU-Atompolitik.

Großbritannien Offshore: Das Königreich der Windmühlen

In Großbritannien wird am Donnerstag der weltweit größte Windpark im Meer eröffnet. Nirgends wird so viel Strom vor der Küste produziert wie dort.