taz.de -- Kommentar Fahrverbot Kleinkriminalität: Freie Fahrt für freie Bürger
CDU und SPD wollen Alltagskriminalität mit Fahrverboten bestrafen. Ein Beispiel für den Vorschreibewahn der deutschen Politik.
Lippenstift bei Rossmann geklaut. Der Oma die Handtasche entrissen. Der Kollegin an den Arsch getatscht. Sollte man nicht machen. Künftig aber erst recht nicht – zumindest dann nicht, wenn man weiterhin Auto fahren will. Union und SPD haben bei den Koalitionsverhandlungen nämlich gerade beschlossen, dass „Alltagskriminalität“ jetzt mit Führerscheinentzug bestraft werden soll. Damit soll „flexibler auf einzelne Täter“ eingegangen werden, „kriminelle Karrieren“ sollen so möglichst früh gestoppt werden.
Geht’s noch? Unabhängig davon, dass die Idee das Prinzip unterläuft, dass eine Strafe – wegen der ernstgemeinten Reue – im Bereich des Tatvergehens liegen sollte, drängt sich der Verdacht auf, dass künftig alle möglichen Vergehen mit allen möglichen Sanktionen geahndet werden könnten.
Was erwartet uns demnächst noch so? Den Unterhalt für das Trennungskind nicht bezahlt – Flugverbot für den Weihnachtsurlaub? Zeche geprellt – Sozialstunden leisten? Eine Mülltonne umgestoßen – Hausverbot bei Karstadt? Eine libertäre Erziehung sieht anders aus. Vor allem eine zu Eigenverantwortlichkeit und Selbstständigkeit, die der Staat ja sonst immer einfordert.
Leben kann so schön sein. Aber auch so langweilig. Immer dann, wenn der Normierungs- und Vorschreibewahn der deutschen Oberen richtig zum Zuge kommen darf. Das fängt bei der Helmpflicht für Radfahrer an und hört eben beim Fahrverbot für Diebe und Randalierer auf.
Im Übrigen widerspricht der aktuelle Koalitionsschwachsinn der Freiheitsliebe der Bevölkerung. Das hat soeben der „[1][Freiheitsindex]“ des John-Stuart-Mill-Instituts für Freiheitsforschung in Heidelberg gezeigt: Danach ziehen die Deutschen die Freiheit eindeutig der Gleichheit vor.
21 Nov 2013
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