taz.de -- Kommentar SPD ohne Finanzressort: Eine tragische Fehlentscheidung
Dass die SPD nicht auf das Finanzministerium bestanden hat, ist strategisch falsch. Nur so hätte sie wirklich Macht bekommen.
Wie konnte dieser Fehler passieren? Die SPD hat auf das Finanzministerium verzichtet – und damit auf die Macht. Stattdessen begnügt sich Parteichef Sigmar Gabriel mit dem Wirtschafts- und Energieministerium. Es ist nicht zu fassen.
Auf den ersten Blick mag es langweilig wirken, das Finanzministerium zu kontrollieren. Nach dem Motto: Dort werden ja nur die Steuereinnahmen verwaltet. Doch tatsächlich ist das Finanzministerium das einzige Querschnittsressort, das einen detaillierten Einblick in die Vorhaben der anderen Ministerien erlaubt. Denn sie alle müssen ihre Haushaltspläne beim Finanzminister einreichen.
Wie es einem Koalitionspartner ergeht, der nicht das Finanzministerium besitzt, musste die FDP leidvoll erfahren. Jedes Projekt der Liberalen wurde von Finanzminister Schäuble mit der Begründung abgewürgt, es sei leider kein Geld da. Das Finanzministerium ist eine Art zweites Kanzleramt. Es ist das einzige Ressort, das genug Macht besäße, um Angela Merkel zu kontrollieren. Doch stattdessen hat sich die SPD an die Union ausgeliefert, indem sie nur Spezialressorts besetzt. Ein bisschen Energie, ein bisschen Arbeit, ein bisschen Umwelt. Die großen Linien werden Merkel und Schäuble bestimmen.
Diese Fehlentscheidung ist tragisch, weil Gabriel ein guter Finanzminister gewesen wäre. Er hat eine schnelle Auffassungsgabe und weiß, wie man große Apparate führt. Zudem hat er Gestaltungswillen und ist nicht nur ein fantasieloser Verwalter.
In der SPD haben nicht wenige gehofft, dass Gabriel am Ende doch noch springt und den Mut aufbringt, das Finanzministerium zu beanspruchen. Die Chance ist vertan. Stattdessen sendet die SPD die Botschaft, dass sie nur der Juniorpartner einer großen Koalition sein will. Das erinnert an den Wahlkampf – und ist fatal konsequent.
15 Dec 2013
AUTOREN
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
Die Hamburger SPD-Politikerin Aydan Özoguz wird Staatsministerin für Integration. Sie will neue Akzente setzen.
2005 waren sich alle einig: Merkel kann es nicht. Heute wird sie gefeiert wie nie. Zum Glück werden Prognosen von Journalisten schnell vergessen.
Barbara Hendricks, bisher Schatzmeisterin der SPD, wird Umweltministerin. Die 61-Jährige gilt als klug, uneitel, mit klarer Meinung. Sie wird zu kämpfen haben.
Die Zustimmung der SPD-Basis war enorm, sie hat Gabriel in die Große Koalition geschickt. Der kann nun kaum laufen vor Stolz. Doch sein Sieg hilft auch der CDU.
Jetzt ist entschieden, welche Partei welches Ministerium bekommt. Die Namen folgen noch. Schon klar scheint, dass es erstmals eine Verteidigungsministerin geben wird.
78 Prozent der SPD-Mitglieder haben abgestimmt, mehr als drei Viertel sagen „Ja“ zur GroKo. Parteichef Sigmar Gabriel hat gewagt und gewonnen.
Hat die SPD die Basisdemokratie neu erfunden? Ach was. Aber der Mitgliederentscheid könnte eine neue Kultur begründen.
Die Stimmen der SPD-Mitglieder werden noch ausgezählt, doch die geheime Kabinettsliste ist bereits öffentlich. Gabriel wird Superminister, Pofalla hört auf.
Die Wirtschaftsverbände sind unzufrieden mit den schwarz-roten Plänen für Arbeitsmarkt und Rente. Finanzminister Wolfgang Schäuble hält dagegen.
Der Koalitionsvertrag steht, aber das letzte Wort hat die SPD-Basis. Die grummelt etwas. Und die Wirtschaft sagt: Nicht finanzierbar.