taz.de -- Kommentar Angela Merkel: Ich Immer Irgendwie

2005 waren sich alle einig: Merkel kann es nicht. Heute wird sie gefeiert wie nie. Zum Glück werden Prognosen von Journalisten schnell vergessen.
Bild: Sie ist so mächtig, dass sie drei Schatten hat: Angela Merkel mit dem Koalitionsvertrag.

Wie selbstverständlich es schon überall zu lesen steht: Kabinett Merkel III. Die drei I stehen für Ich hab’s Immer Irgendwie gewusst. Dass diese Frau bleiben wird, wie klug sie doch ist, wie sie auf ihre Weise Geschichte schreiben wird.

Am Dienstag wählt der Bundestag die Kanzlerin erneut, und die allgemeine Merkel-Huldigung hat ihren bisherigen Höhepunkt erreicht. Und zwar auch bei denen, die nach dem sagenhaft miesen CDU-Ergebnis 2005 zusammen mit den CDU-Leitwölfen heulten: „Sie kann es nicht.“ Doch was schert uns die Prognose von gestern?

Bislang war auch sonnenklar, dass Thomas de Maizière das Verteidigungsministerium, diese Schlangengrube, schon zur Strafe für das Euro-Hawk-Debakel behalten würde. Dann dauerte es nach der Ernennung Ursula von der Leyens zur neuen Verteidigungsministerin nur Stunden, bis Verteidigungspolitik klarerweise als Sprungbrett für Kanzlerkandidatinnen gehandelt wurde.

Neu bei der Meinungsbildung ist, dass das Lob im Reich des großkoalitionären Lächelns nicht an der SPD-Grenze haltmacht. Auch Sigmar Gabriel, noch gestern ein Politik-Flummi, läuft plötzlich als Topstratege. Seine Mitgliederbefragung trägt jetzt den Beinamen [1][„Coup“]. Am Tag nach der Entscheidung für das Prozedere war nachzulesen, wie viel Willkür dabei im Spiel war. Schon vergessen. Weil: Dienstag ist Vereidigung, das hat lange genug gedauert, also müssen sich jetzt alle anständig freuen.

Dass hier niemand etwas falsch versteht: Es gehört zum Journalismus, dass jeder sich irren darf, davon profitiert nicht zuletzt diese kleine Zeitung. Und weil Journalisten sich zwar immer so fühlen, als regierten sie ein wenig mit, am Ende aber doch nie gefragt werden, erinnern sie sich zum Trost nicht an ihre verkehrten Vorhersagen.

Was Merkels Durchhaltefähigkeit angeht, haben die linken wie die neoliberalen Fehleinschätzungen etwas gemeinsam: Sie dürften die Kraft der Konjunktur falsch taxiert haben. Denn der Laden brummt trotz Finanz- und Eurokrise weiter (ja, auf Kosten von Resteuropa, dieses Land ist eben so selbstsüchtig wie alle anderen). Dann aber braucht eine Kanzlerin offenbar weder Ideen noch Überzeugungen, um sich Mehrheiten zu sichern. Zumal es gelungen ist, dem Prekariat das Wählen abzugewöhnen.

So, und weil großkoalitionäres Geseire natürlich bald langweilt, jetzt alle zusammen: 2017 gibt’s Schwarz-Grün, gaaaanz sicher.

17 Dec 2013

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Ulrike Winkelmann

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