taz.de -- Kommentar Syrienkonferenz: Einschläfern funktioniert nicht

Diplomaten reden die Hoffnungen auf Frieden in Syrien klein. Doch die Öffentlichkeit an das Massensterben zu gewöhnen wird schwieriger.
Bild: Kämpfer der Freien Syrischen Armee in Idlib

Was für ein Debakel für die UN: Ban Ki Moon hat Iran auf Druck der USA [1][wieder ausgeladen], die Vertreter der Opposition haben ihre Teilnahme an der Syrienkonferenz wieder zugesagt und nun kann das Politik-Spektakel also am Mittwoch in Montreux doch beginnen. Doch wozu?

Westliche Diplomaten sind eifrig darum bemüht, die Hoffnungen auf einen politischen Durchbruch, sprich Frieden, möglichst klein zu reden. Die Rede ist also von einem langen Prozess, der bevorstünde, und tatsächlich hat der US-amerikanische Außenminister Kerry anders als bei den Nahost-Gesprächen kein Zeitlimit gesetzt. Und er verwies bereits vor einem Jahr hinter verschlossenen Türen darauf, dass die Vietnam-Konferenz auch Jahre gedauert habe. So schreibt es am Dienstag [2][die New York Times].

Und sie zitiert einen namentlich nicht genannten „westlichen Diplomaten“, der düstere Visionen ausbreitet: „Jeder, der behauptet das syrische Volk zu repräsentieren, lügt und täuscht, entweder um an der Macht zu bleiben oder um an die Macht zu kommen. Aber diesen Weg haben wir eingeschlagen. Im Sommer werden wir zwischen 150.000 und 200.000 Tote in Syrien zählen.“

Es ist doch verrückt. Da konzentrieren sich die Anstrengungen der UN nach dem Giftgasanschlag im September 2013 vor allem auf diese Konferenz, von der nicht nur der US-amerikanische Außenminister bereits vor einem Jahr wusste, dass sie zu einer der Endlosangelegenheiten werden würde. Weswegen jetzt die breite Öffentlichkeit darauf eingeschwört wird, bloss nicht zu viel zu erwarten.

UN stehen in der Verantwortung

Und doch sollte man sich genau darauf nicht einlassen. Die Vertreter der UN stehen in der Verantwortung, die Zivilbevölkerung in Syrien zu schützen. Sie stehen in der Verantwortung, dafür zu sorgen, dass es zu lokalen Waffenruhen kommt, dass humanitäre Korridore eingerichtet und alle Bevölkerungsteile unabhängig von ihrer politischen Ausrichtung Zugang zu einer Grundversorgung haben. Wenn Genf II nur Teil einer umfassenderen Beschäftigungstherapie für die diplomatische Welt ist, dann muss sie andere Instrumente bemühen.

Schon jetzt Zahlen wie 200.000 Toten zu nennen, heißt der Nachricht von zigtausend Toten den Schrecken zu nehmen: Wundert euch nicht, wir haben es auch ja längst gesagt, es werden noch zigtausende Menschen mehr sterben. Nichts zu machen.

Doch so einfach wird es nicht werden: Denn schon gehen die nächsten Schreckenszahlen durch die Nachrichtenagenturen, die nicht leicht zu übergehen sein werden: 11.000 politische Gefangene sollen vom Assad-Regime [3][zu Tode gefoltert worden sein], 200.000 weitere noch in Syrien Gefängnissen sitzen. Diese müssen freigelassen werden.

Erfüllt Assad auch diese Forderung nicht, kann man schlicht keine Friedenskonferenz mit ihm machen. Dies einzugestehen ist der allererste Schritt, um überhaupt zu einer Lösung zu kommen. Und Vorausssetzung dafür, jemals noch mit Recht das Konzept Menschenrechte, also ihre Verteidigung, als Teil der politischen Vernunft des Westens bemühen zu können.

21 Jan 2014

LINKS

[1] /Iran-nicht-bei-Syrien-Konferenz/!131399/
[2] http://www.nytimes.com/2014/01/21/world/middleeast/syria.html?hpw&rref=world&_r=0
[3] /Fotos-Gefangener-in-Syrien/!131402/

AUTOREN

Ines Kappert

TAGS

Schwerpunkt Syrien
Schwerpunkt Iran
UN
Friedenspolitik
Genf II
Genf
Genf II
Schwerpunkt Syrien
Genf II
Schwerpunkt Syrien
Schwerpunkt Syrien
USA
USA
Genf
Schwerpunkt Iran

ARTIKEL ZUM THEMA

Kommentar Syrien-Konferenz: Haltet den Araber in Schach

Es gibt politische Gründe für das außenpolitische Debakel der USA und der EU. Doch auch die kulturellen Muster spielen eine wichtige Rolle.

Syrien-Friedensverhandlungen in Genf: Außenminister droht mit Abreise

Weil aus seiner Sicht keine funktionierenden Treffen zustande kommen, hat der syrische Außenminister mit seiner Abreise gedroht. Die Gespräche sind schwierig.

Syrien-Friedenskonferenz in Montreux: Tiefe Gräben in idyllischer Lage

Die Syrien-Gespräche starten mit einer Wutrede des syrischen Außenministers. Zuvor hatten westliche Diplomaten noch Hoffnung verbreitet.

Gräueltaten in Syrien: Foltern, aushungern

Ein Polizeifotograf dokumentiert das Leiden in den syrischen Gefängnissen. Sie sind Beweise für die Gräueltaten, die lange bekannt sind.

Kommentar UNO-Generalsekretär: Erst richtig, dann falsch

Erst lädt er den Iran ein, dann wieder aus: UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon sollte seinen schweren Fehler dringend aufklären.

Jahresbericht von Human Rights Watch: Scharfe Kritik an NSA-Ausspähung

Erstmals stellt Human Rights Watch einen umfassenden Jahresbericht vor. Die Organisation kritisiert darin auch Menschenrechtsverletzungen in der EU und den USA.

Fotos Gefangener in Syrien: Dokumentation von 11.000 Tötungen

Fotos aus Syrien sollen die systematische Tötung und Folter von gefangenen Rebellen zeigen. Ein ehemaliger Fotograf der Militärpolizei hat sie Medien zugespielt.

Iran nicht bei Syrien-Konferenz: Ein diplomatisches Drama

UN-Generalsekretär Ban Ki Moon hat seine überraschende Einladung Irans nach heftiger Kritik zurückgezogen. Die syrische Opposition nimmt nun an der Konferenz teil.

US-Verhandlungen mit Iran: Der Achsenbruch des Bösen

Einst als „Schurkenstaat“ beschimpft, wird der Iran heute als Regionalmacht wichtig. Deswegen suchen die USA vermehrt den Kontakt.

Kommentar Iran bei Syrien-Konferenz: Steilvorlage für Assad

Mit der Einladung Irans zur Syrien-Konferenz gefährdet der UNO-Generalsekretär die Teilnahme der syrischen Opposition. Es ist eine Steilvorlage für Assad.

Kommentar Iranpolitik der USA: Dialog mit Feinden

Der Deal mit Teheran ist ein historischer Einschnitt. Die USA gehen ein großes Risiko ein. Egal. Die Politik der harten Linie ist vollends gescheitert.