taz.de -- Rangliste der Pressefreiheit: Ein „schlimmes Jahr“ für die USA
Sicherheitsbehörden erschweren in immer mehr Ländern die Arbeit von Journalisten, beklagt Reporter ohne Grenzen. Die USA fallen um 13 Plätze auf Rang 46.
BERLIN dpa | In der weltweiten „Rangliste der Pressefreiheit“ sind die USA wegen ihres Vorgehens gegen sogenannte Whistleblower um 13 Plätze abgesackt. Sie liegen nun hinter Staaten wie El Salvador und Rumänien. Die Liste von [1][Reporter ohne Grenzen (ROG)] stufte die Vereinigten Staaten auf Rang 46 ein.
„In den USA hat die staatliche Verfolgung von investigativen Journalisten und ihren Hinweisgebern aus den Sicherheitsbehörden ein nie gekanntes Ausmaß erreicht“, berichtete ein Sprecher der Journalisten-Organisation in Berlin.
„Die 35-jährige Haftstrafe für Bradley/Chelsea Manning und die Jagd auf den NSA-Whistleblower Edward Snowden sollen Nachahmer offenkundig davon abschrecken, Journalisten brisante Informationen über Fehlverhalten von Regierung und Behörden zuzuspielen“, berichtete ROG weiter. Whistleblower sind Informanten etwa aus Geheimdienstkreisen, die sich an Medien wenden. ROG prangerte auch das Abhören von Telefonanschlüssen der Nachrichtenagentur Associated Press an.
Die Liste zeigt laut ROG, wie stark die Dominanz der Sicherheitsbehörden die Arbeit von Journalisten in vielen Ländern erschwert. „Besonders besorgniserregend“ sei, dass dies sogar traditionelle Demokratien wie die USA und Großbritannien erfasst habe. Die Briten sanken um 3 Plätze auf Position 33. Schlusslichter in der Aufstellung sind Turkmenistan, Nordkorea und – ganz hinten – Eritrea. An der Spitze liegen Finnland, die Niederlande und Norwegen.
Agressive Ant-Presse-Regierung
„2013 wird als das schlimmste Jahr für die Pressefreiheit in den USA in die Geschichte eingehen“ sagte New York Times-Journalist James Risen in Washington, wo die ROG-Liste ebenfalls vorgestellt wurde. US-Präsident Barack Obamas Bemühungen, Informationen zurückzuhalten, sei „beispiellos in der jüngeren Geschichte der USA“, sagte der Pulitzer-Preisträger.
Obamas „aggressive Anti-Presse-Regierung“ würde Journalisten und Hinweisgeber abschrecken. Der Begriff „nationale Sicherheit“ – etwa in der Debatte um die NSA-Affäre – sei ein einfacher Weg, Diskussionen zu umgehen, sagte Risen.
Deutschland hat sich im Ranking leicht verbessert, schafft es aber das zehnte Jahr in Folge nicht in die Top Ten. Die Bundesrepublik belegt Platz 14 unter 180 Staaten (Vorjahr Platz 17) und liegt damit unter anderem hinter Neuseeland, Estland und Tschechien. „Auch hierzulande wurde 2013 verstärkt sichtbar, wie sehr Journalisten im Visier in- und ausländischer Sicherheitsbehörden stehen“, so der ROG-Sprecher.
Ein Beispiel sei die jahrelange Überwachung mehrerer Journalisten durch den niedersächsischen Verfassungsschutz. Zudem erhielten Reporter mehrmals Drohungen von Neonazis, Salafisten oder aus dem Umfeld von Kriminellen. Einen der ersten zehn Plätze in dem Ranking hatte Deutschland letztmals im Jahr 2003 belegt.
12 Feb 2014
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