taz.de -- Kommentar Sebastian Edathy: Unsichere Rechtslage, ungutes Gefühl
Die Unschuldsvermutung ist de facto ausgehebelt, Sebastian Edathy droht der soziale Tod. Und es bleiben noch viele offene Fragen.
Wir wissen nicht, ob Sebastian Edathy sich strafbar gemacht hat. Es läuft zwar ein Ermittlungsverfahren gegen den Exparlamentarier. Aber ob es zu einem Prozess oder zu einer Verurteilung kommen wird, ist offen. Edathy soll nur Bilder von Minderjährigen gekauft haben, die hierzulande nicht verboten sind und nicht als Kinderpornografie gelten.
Wir wissen nicht, ob das die Wahrheit ist oder nicht. Sicher aber ist: Auch wenn Edathy nur legale Bilder gekauft hat, wird es dem Expolitiker nicht viel nutzen. Wer mit Kinderpornografie assoziiert wird, wird hierzulande bestraft, auch ohne Prozess und Gericht. Ihm blüht eine Art sozialer Tod, das Ende jeder öffentlichen Karriere und gesellschaftliche Ächtung ohne Bewährungsfrist.
Die Melange von staatsanwaltschaftlicher Ermittlung und offenbar unvermeidbarer Vorverurteilung macht diesen Fall so ungut. Denn damit wird die Unschuldsvermutung ausgehebelt – de facto, nicht de jure. Es ist eine Frage wert, ob das Recht der Öffentlichkeit, informiert zu werden, solche Kollateralschäden immer aufwiegt.
Ebenso grenzwertig ist, wie die Information über den Verdacht gegen Edathy seit dem letzten Herbst gehandelt wurde. Dass Exinnenminister Friedrich der SPD-Spitze etwas über den Fall Edathy steckte, mag menschlich und pragmatisch verständlich sein. Denn: Wäre Edathy zum Beispiel Staatssekretär geworden, der Fall wäre jetzt ein noch größeres Spektakel. Auch Eigennutz kann man Friedrich nicht unterstellen.
Doch rechtlich gesehen ist das Verhalten von Friedrich, der damals auch Verfassungsminister war, mehr als fragwürdig. So wissen wir nicht, ob Edathy auf diesem krummen Weg möglicherweise vorgewarnt wurde. Bislang gibt es dafür kein triftiges Indiz. Aber schon die Vorstellung, dass der Innenminister an einer Strafvereitelung beteiligt gewesen sein könnte, ist mehr als beunruhigend.
Und es gibt offene Fragen: Warum wusste Sigmar Gabriel früh von dem Fall, Bundestagspräsident Lammert aber nicht? Warum behauptet SPD-Mann Thomas Oppermann, dass der BKA-Chef ihm den Verdacht gegen Edathy bestätigte, während der BKA-Mann dies bestreitet? Und die SPD-Politikerin Lambrecht hat zumindest geschwindelt, als sie kundtat, den Fall nur aus den Medien zu kennen. Viel Ungeschicktes und Ungereimtes. Zu viel für so einen heiklen Fall.
13 Feb 2014
AUTOREN
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
Er sei sich sicher, dass niemand aus der SPD-Spitze Informationen an Edathy weitergab, sagt Parteichef Gabriel. Deshalb werde es auch keine Rücktritte geben.
Die Staatsanwaltschaft macht ihre Vorwürfe gegen den SPD-Politiker Edathy offiziell. Doch: War das von ihm georderte Material auch strafrelevant?
Agrarminister Friedrich muss wegen seiner Indiskretion im Fall Edathy gehen. Beendet er so die Glaubwürdigkeitskrise der Koalition?
Minister Friedrich will sich in Kürze zur Affäre um den SPD-Politiker Sebastian Edathy äußern. Kanzlerin Merkel steht nicht hinter ihm.
Ex-Innenminister Friedrich wird strafbares Verhalten vorgeworfen, weil er die SPD wegen Edathy warnte. Das ist zu einfach.
Sebastian Edathy soll Bilder von nackten Jungen im Alter von 8 bis 14 Jahren besessen haben. Das ist nicht strafbar – und noch lange nicht okay.
Die Vorwürfe gegen Sebastian Edathy werden zum Problem für die SPD-Spitze – und für den Ex-Innenministster Friedrich.
Die SPD-Spitze wurde vom damaligen CSU-Innenminister Friedrich über die Ermittlungen gegen Edathy informiert. Die Staatsanwaltschaft will sich nicht äußern.
Nicht rechtsstaatlich: Der SPD-Politiker Sebastian Edathy kritisiert die Ermittlungen. Die Staatsanwaltschaft weist die Vorwürfe zurück.
Staatsanwaltschaft schweigt über die Gründe der Hausdurchsuchungen bei Sebastian Edathy (SPD). Angeblich soll es um Kinderpornografie gehen.
Erst am Wochenende gab Sebastian Edathy seinen Rücktritt aus dem Bundestag bekannt. Wie jetzt bekannt wurde, wird gegen den SPD-Politiker ermittelt.