taz.de -- Erdogans Kampf gegen das Internet: Youtube in der Türkei gesperrt

Nach Twitter wird die zweite Netzplattform dicht gemacht. Dort sind Telefonmitschnitte veröffentlicht worden, die den Premier schwer belasten.
Bild: Hasst das Internet: Premier Tayip Erdogan bei einem Auftritt in Istanbul am 8. März.

ISTANBUL taz | Seit Donnerstagnachmittag ist in der Türkei auch die Videoplattform Youtube gesperrt. Nachdem vor einer Woche der Kurznachrichtendienst Twitter für türkische Nutzer dicht gemacht worden war, ist mit Youtube nun die zweite wichtige Plattform sozialer Medien in der Türkei unzugänglich gemacht worden.

Die Sperre von Youtube kommt überraschend - vor allem auch deshalb, weil am Dienstag erst ein Verwaltungsgericht in einer Eilentscheidung die Regierung aufgefordert hatte, die generelle Sperre von Twitter wieder aufzuheben und nur einzelne strafrechtlich relevante Mitteilungen zu löschen.

Mit Youtube trifft es nun die Plattform, auf der seit dem 25. Februar fast täglich abgehörte Telefonmitschnitte veröffentlicht wurden, die Ministerpräsident Tayyip Erdogan und seine AK-Partei in schwere Bedrängnis gebracht hatten. Dabei ging es um Telefongespräche Erdogans mit seinem Sohn Bilal, in dem Erdogan Bilal anweist Millionen Dollar von Schwarzgeld aus dem Haus zu schaffen. In Telefonaten zwischen Erdogan und dem Justizminister fordert der Regierungschef, der Minister solle sich für ein bestimmtes Urteil einsetzen. In einem weiteren angeblichen Gespräch plaudert Erdogans ältester Sohn Burak mit seiner in der Schweiz lebenden Geliebten.

Der letzte am Donnerstag veröffentlichte Telefonmitschnitt ist vor allem politisch brisant und dürfte den Ausschlag für die Sperre gegeben haben. Es geht um ein im Außenministerium illegal abgehörtes Gespräch zwischen dem Außenminister Ahmet Davutoglu, seinem Staatssekretär Sinirlioglu, dem Geheimdienstchef Hakan Fidan und einem Vertreter des Generalstabschefs. In dem Gespräch werden mögliche militärische Maßnahmen der Türkei in Syrien erörtert. Das Gespräch betrifft den innersten Sicherheitsbereich der Regierung.

Wahlen als Referendum über Erdogan

Dazu kommt, dass am kommenden Sonntag für Ministerpräsident Erdogan entscheidende landesweite Kommunalwahlen bevorstehen, die einem Referendum über den Regierungschef gleichkommen. Seit Tagen war darüber spekuliert worden, dass Gegner Erdogans kurz vor den Wahlen noch einmal ein besonders anrüchiges Geheimnis ins Netz stellen könnten. Seit Monaten liefert sich Erdogan eine heftige Auseinandersetzung mit der größten türkischen islamischen Sekte, der Gülen-Bewegung, von der die regierung annimmt, dass ihre Anhänger die Mitschnitte veröffentlichen. Die Gülen-Bewegung soll viele Anhänger in der Justiz, der Polizei und im sonstigen Sicherheitsapparat haben, denen Erdogan offenbar zutraut, jede sensible Information beschaffen zu können.

27 Mar 2014

AUTOREN

Jürgen Gottschlich

TAGS

Internet
Schwerpunkt Türkei unter Erdoğan
Recep Tayyip Erdoğan
Youtube
Soziale Netzwerke
Ahmet Davutoglu
Recep Tayyip Erdoğan
Catherine Ashton
Netzsperren
Twitter / X
Schwerpunkt Türkei unter Erdoğan
Schwerpunkt Türkei unter Erdoğan
Schwerpunkt Türkei unter Erdoğan
Schwerpunkt Türkei unter Erdoğan
Schwerpunkt Türkei unter Erdoğan
Schwerpunkt Türkei unter Erdoğan
Schwerpunkt Türkei unter Erdoğan
Schwerpunkt Türkei unter Erdoğan
Schwerpunkt Türkei unter Erdoğan
Schwerpunkt Türkei unter Erdoğan

ARTIKEL ZUM THEMA

Türkische Justizreform gekippt: Erdogans schwindende Gewalt

Ministerpräsident Erdogan wollte die Ernennung von Richtern und Staatsanwälten in Regierungshand legen. Das Verfassungsgericht hält davon nichts.

Rüge von EU-Außenministern: YouTube bleibt in der Türkei gesperrt

Die türkische YouTube-Sperre wurde am Freitag erst von einem Gericht aufgehoben, dann aber doch verlängert. Die EU-Minister und die Außenbeauftragte Ashton üben Kritik.

Internetsperren in der Türkei aufgehoben: Erdogan gleich doppelt beleidigt

Türkische Gerichte ordnen das Ende der Twitter- und Youtube-Sperren an – zum Ärger Erdogans. Der geht gleichzeitig gegen kritische Journalisten vor.

Twitter-Sperre in der Türkei aufgehoben: Es zwitschert wieder

Das türkische Verfassungsgericht hatte am Mittwoch verkündet, dass die von der Regierung initiierte Netzsperre illegal sei. Der Dienst ist wieder erreichbar.

Kommentar Kommunalwahlen Türkei: Tayyip, der Scheinriese

Nach den Wahlen ist die Türkei zerrissener denn je. Und Erdogan reagiert mit einer polarisierenden Triumphrede. Doch so eindeutig ist der Sieg seiner AKP nicht.

Kommunalwahl in der Türkei: Unentschiedene Großstädte

Landesweit hat die Regierungspartei AKP ihr Ziel von 40 Prozent der Stimmen wohl erreicht. In den großen Städten, Ankara und Istanbul, wird es eng.

Groteske aus dem Polizeigewahrsam: Blocked in Turkey

Unser Autor wollte über die Kommunalwahl in der Türkei berichten. Einreisen durfte er nicht – aus der Zelle heraus twittern schon.

Kommunalwahl in der Türkei: Sechs Tote im Süden

Bei Auseinandersetzungen während der Kommunalwahl in der Türkei sind am Sonntag sechs Menschen ums Leben gekommen. Zwei Femen-Aktivistinnen wurden verhaftet.

Kommunalwahl in der Türkei: Homos gegen Erdogan

Erstmals kandidieren homo- und transsexuelle Aktivisten in der Türkei. Ein Erfolg der Gezi-Proteste. Doch die CHP versteckt ihre schwul-lesbischen Kandidaten.

Beliebte Internetseite Ekşi Sözlük: Die Seite, die alles weiß

Die türkische Webseite Ekşi Sözlük ist eines der ältesten sozialen Netzwerke der Welt. Für die Gezi-Proteste war sie wichtig. Aber auch AKP-Fans mischen mit.

Kommunalwahlen in der Türkei: Kalif in Panik

Die Opposition will Erdogans Ende einläuten. Doch die aussichtsreiche CHP hat Berührungsängste nach links und hofft auf die Gülen-Bewegung.

Türkisches Gericht gegen Twitter-Sperre: Alle Vögel sind schon da

Der türkische Premierminister Recep Tayyip Erdogan hat Twitter zum Staatsfeind erklärt. Ein Gericht hat jetzt die Aufhebung der verhängten Sperre angeordnet.

Kommunalwahl in der Türkei: Das Sex-Tape ist da!

Ein paar Tage vor der Kommunalwahl taucht auf Youtube ein neues kompromittierendes Video auf. Im Mittelpunkt: Ministerpräsident Erdogans Sohn Ahmet Burak.

Debatte Kommunalwahl Türkei: Erdogan dreht frei

Ob der Ministerpräsident eine Wahlniederlage überhaupt akzeptieren wird? Die Opposition ist skeptisch und schickt Tausende Beobachter ins Land.