taz.de -- Neues Gesetz in der Türkei: Mehr Macht für die Geheimdienste
Für die Opposition sind die „letzten Reste von Demokratie“ zerstört: Ein Gesetz von Ministerpräsident Erdogan weitet die Befugnisse des Geheimdienstes aus.
ANKARA ap | Das türkische Parlament hat einem Gesetz zugestimmt, mit dem die Befugnisse des Geheimdienstes und die Immunität seiner Mitarbeiter gestärkt werden. Dem MIT wird nach dem von der Regierung von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan vorgelegten Gesetz erlaubt, verdeckte Operationen zu starten. Zudem wird ihm größerer Zugang zu dem persönlichen Daten gewährt. Auf die Veröffentlichung geheimer Dokumente stehen künftig Gefängnisstrafen.
Das Gesetz tritt nach der Unterschrift des Staatspräsidenten in Kraft. Die Opposition sieht damit die „letzten Reste von Demokratie und Recht“ in der Türkei zerstört, wie ein Abgeordneter der Republikanischen Volkspartei, Atilla Kart, sagte. Der stellvertretende Ministerpräsident Besir Atalay wies das zurück und erklärte, der Geheimdienst werde weiterhin innerhalb der türkischen Gesetze agieren. „Wir wollen einen Geheimdienst schaffen, der einem starken Staat angemessen ist, aber innerhalb der Gesetze arbeitet“, sagte er.
Das Geheimdienstgesetz ist der jüngste Schritt Erdogans inmitten eines Korruptionsskandals, seine Kontrolle über staatliche Einrichtungen auszuweiten. Erdogan wirft Anhängern eines in den USA lebenden Geistlichen, Fethullah Gülen, vor, die türkische Polizei und Justiz unterwandert und Korruptionsermittlungen angestoßen zu haben, um seine Regierung zu diskreditieren.
Seit Beginn des Skandals im Dezember ist der Einfluss des Justizministers auf die Justizbehörden gestärkt worden. Die Kontrolle des Internets wurde intensiviert, die Online-Plattformen Twitter und YouTube geschlossen und Tausende von Polizeibeamten und Staatsanwälten aus dem Dienst entfernt.
Das höchste türkische Gericht hat inzwischen das Twitter-Verbot aufgehoben und die erweiterte Autorität des Justizministers über die Justizbehörden annulliert.
18 Apr 2014
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
Mittels der Staatsanwaltschaft geht die türkische Regierung um Ministerpräsident Erdogan gegen den religiösen Führer Gülen vor. Von der USA fordern sie die Auslieferung.
Der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde Deutschland, Kenan Kolat, verteidigt die Kritik des Bundespräsidenten an der türkischen Innenpolitik.
In Istanbul erinnern Demonstranten an den Völkermord an den Armeniern. Mühsam lernt die türkische Gesellschaft den Umgang mit der dunklen Vergangenheit.
29 Nutzer von Twitter sollen während der Gezi-Unruhen im Sommer zu Gesetzesverstößen aufgerufen und Erdogan beleidigt haben. Jetzt wird ihnen der Prozess gemacht.
Twitterkonten, von denen Korruptionsvorwürfe gegen die Regierung Erdogan verbreitet wurden, sind nicht erreichbar. Daten über die Nutzer will Twitter nicht weitergeben.
Nach Angaben eines Regierungsvertreters wird Twitter einige Nutzer-Konten sperren. Dabei gehe es um User, die sich über Erdogans Regierung beschwert hatten.
Die Regierung will Homo- und Transsexuelle in Sondergefängnissen unterbringen. Damit würden sie noch stärker stigmatisiert als ohnehin schon.
Der türkische Ministerpräsident Erdogan will ausländischen sozialen Netzwerken mit der Steuer beikommen. Twitter und Facebook seien türkischen Gesetzen unterworfen.
Die Wahlkommission in der Hauptstadt lehnt die Einsprüche der Opposition ab. Für die Präsidentschaftswahl gibt es noch keinen Kandidaten.