taz.de -- Kommentar Bad Bank für AKW: Zu verstrahlt, um wahr zu sein
Die Atomindustrie will die Ausstiegskosten verstaatlichen. Aber kein Politiker wird den Lobbyisten noch einmal eine Menge Geld hinterherwerfen.
Die erste Reaktion ist ein Aufschrei: Das könnte den Stromkonzernen so passen! Über Jahrzehnte haben sie staatliche Subventionen bekommen, um die Atomenergie in Deutschland aufzubauen. Dann haben ihre privaten (und auch öffentlichen) Eigentümer sehr lange sehr gutes Geld verdient. Und jetzt, wo das dreckige und teure Ende dieser Energieform absehbar wird, wollen sie den Betrieb der ungeliebten Meiler, den Abriss der strahlenden Blöcke und das politische und ökonomische Risiko einer Endlagerung mit allen Folgekosten [1][dem Staat überlassen].
Nach Marktwirtschaft schreien Konzerne gern, solange sie Geld machen. In schlechten Zeiten kann es ihnen gar nicht sozialistisch genug zugehen.
Andererseits: Ein „VEB Atomkraft“ hätte auch Vorteile. Der Staat als Eigentümer könnte die AKWs früher abschalten, wenn er wollte, oder besser in seine Energiepläne einbauen. Die Klagen gegen Atomausstieg und Brennelementesteuer wären relativ schnell vom Tisch. Und wenn wirklich ein Konzern pleitegehen sollte, zahlt die Zeche ohnehin der Steuerzahler, wie es der finanzielle Super-GAU des japanischen Energiekonzerns Tepco nach der Katastrophe von Fukushima gezeigt hat. Warum sollte man da nicht schon vorher Einfluss nehmen?
Allerdings sind diese Debatten wohl überflüssig. Denn selbst wenn es gute Gründe für die staatseigene Nuklearindustrie gäbe, wird sich kein deutscher Amtsträger diesen Vorschlag zu eigen machen.
Es wäre politischer Selbstmord, offensiv zu vertreten, man solle der unbeliebten Atomlobby noch einmal eine Menge Geld schenken und die Produzentenhaftung umgehen. Dafür ist das Atom-Thema zum Glück viel zu verstrahlt.
12 May 2014
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