taz.de -- „Recht auf Vergessen“ im Netz: 70.000 Löschanträge an Google

Bislang wurden 70.000 Anträge auf die Entfernung von Links aus der Suchmaschine gestellt. Britische Medien kritisieren das Löschen von Links als „Zensur“.
Bild: Antrag, Prüfung, Löschen. Antrag, Prüfung, Löschen. Zehntausendfach muss sich Google mit unliebsamen Inhalten beschäftigen

BERLIN/BRÜSSEL dpa/ap/rtr | Google hat europaweit mehr als 70 000 Anträge auf die Entfernung von Links aus seinen Suchergebnissen erhalten. Insgesamt wollen Bürger mehr als 267 000 Links streichen lassen, teilte Google am Donnerstag mit. Aus Deutschland kämen mehr als 12 000 Anträge.

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hatte den Weg für die Löschgesuche frei gemacht. Er entschied Mitte Mai, dass Europas Bürger von Suchmaschinen wie Google verlangen können, Links zu unangenehmen Dingen aus ihrer Vergangenheit aus den Suchergebnissen verschwinden zu lassen. Google müsse die Links aus seiner Ergebnisliste entfernen, wenn die Informationen das Recht auf Privatsphäre der Betroffenen verletzen.

Das trat eine Welle von Löschanträgen los, die nun von Google bearbeitet werden. Dabei geht es nur um die Ergebnisse, die bei der Suche nach Personen angezeigt werden. Google begann vor einer Woche mit dem Entfernen von Links. Wie vielen Anträgen bereits stattgegeben wurde, konnte ein Sprecher am Donnerstag nicht sagen.

Britische Medien haben das Löschen einiger Einträge durch Google unterdessen als „Zensur“ bezeichnet. [1][Die Tageszeitung The Guardian] sprach am Donnerstag von einem „Angriff auf die Pressefreiheit“, nachdem Google sechs ihrer Artikel entfernt hatte. [2][Der Sender BBC meldete], ein Blogeintrag sei gelöscht worden. Mail Online, die Webseite der Zeitung [3][Daily Mail meldete vier gelöschte Artikel]. Google hatte die Medien zuvor informiert, welche Links sie aus den Suchergebnissen streichen würde.

Am späten Donnerstagabend nahm Google seine frühere Entscheidung nach Protesten des Guardian wieder zurück. Das zeigte Googles Probleme, das vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) gestärkte „Recht auf Vergessen“ umzusetzen. Aktuell ging es um Berichte der Zeitung über einen Schiedsrichter, der im Zusammenhang mit einer Entscheidung in einem Fußballspiel gelogen hatte. Wer den Antrag auf Löschung stellte, war unklar. Andererseits stellte Google Verweise zu einem Bericht des britischen Senders BBC über die Entlassung des früheren Merrill-Lynch-Chefs E. Stanley O'Neal nicht wieder her. O'Neal hatte nach Milliarden-Verlusten der Bank seinen Hut nehmen müssen.

4 Jul 2014

LINKS

[1] http://www.theguardian.com/commentisfree/2014/jul/02/eu-right-to-be-forgotten-guardian-google
[2] http://www.bbc.com/news/business-28130581
[3] http://www.dailymail.co.uk/news/article-2678376/Google-deletes-MailOnline-searches-lying-referee-right-forgotten-kicks-European-searches.html

TAGS

Europa
Recht auf Vergessen
Google
Großbritannien
Medien
Zensur
EuGH
Löschanträge
Internet
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger
Google
Google
Google
Google
Google
Google

ARTIKEL ZUM THEMA

Google kippt Klarnamenzwang: Supreme21 ist jetzt erlaubt

In Googles nur mäßig erfolgreichem Online-Netzwerk G+ fällt die Klarnamenpflicht. Datenschützer glauben, dass das nur wenig bringt.

Sabine Leutheusser-Schnarrenberger: Google beim Vergessen helfen

Als Reaktion auf das neue Recht der Löschung von Suchmaschinen-Einträgen beruft Google einen Beirat. Auch die deutsche Ex-Justizministerin ist als Beraterin dabei.

Persönliche Daten im Internet: Google löscht erste Suchergebnisse

Die Suchmaschine Google hat begonnen, Einträge auf Antrag von Bürgern zu löschen. Der Konzern kommt damit einem Urteil des Europäischen Gerichtshofes nach.

Recht auf Vergessen bei Google: Zehntausende Löschanträge

Die Möglichkeit, Verweise bei der Suchmaschine entfernen zu lassen, wird offenbar rege genutzt. Google informiert, dass über 40.000 Anträge gestellt wurden.

Löschanträge bei Google: 12.000 wollen vergessen werden

Europaweit haben am ersten Tag schon 12.000 Menschen einen Löschantrag bei Google gestellt. Nach Kritik von Datenschützern wurde das Antragsformular geändert.

Google setzt Urteil um: Löschen nur mit Personalausweis

Nach dem Urteil zum Recht auf Vergessen stellt Google ein Antragsformular ins Netz. Doch Nutzer sollten nicht alle Forderungen bedingungslos erfüllen.

Urteil zum Vergessenwerden im Netz: Google will europäischer werden

Europas Bürger können bei Google die Löschung von Links zu Informationen über sie beantragen. Wann Verweise tatsächlich entfernt werden müssen, bleibt unklar.

Löschanträge bei Google: Schlichten gegen die Willkür

Einem Medienbericht zufolge arbeitet die Bundesregierung daran, eine Schlichtungsstelle zum „Recht auf Vergessen“ einzurichten. Google arbeitet indes Löschanträge ab.