taz.de -- Machtdemonstration der Isis-Miliz: Der „Kalif“ zeigt sich
Erstmals scheint der Chef der sunnitischen Terrorkämpfer öffentlich aufgetreten zu sein. Im Nordirak zerstörten Isis-Kämpfer zudem schiitische Moscheen und Schreine.
BAGDAD ap | Wenige Tage nach Ausrufung eines Gottesstaats auf syrischem und irakischem Gebiet ist Isis-Chef Abu Bakr al-Bagdadi offenbar erstmals öffentlich in einer Moschee im nordirakischen Mossul aufgetreten. Die sunnitischen Extremisten präsentierten am Samstag ein Video im Internet, das nach Einschätzung des irakischen Geheimdienst tatsächlich den Milizenchef zeigt. Zudem stellten sie Bilder von der Zerstörung schiitischer Heiligtümer ins Netz.
Isis-Kämpfer hatten in den vergangenen Wochen Mossul und weitere Städte erobert und beherrschen nun im Irak wie auch in Syrien große Landstriche. Die Gruppe nannte sich bislang Islamischer Staat im Irak und in Syrien. Vergangenes Wochenende erklärte sie dieses grenzüberschreitende sogenannte Kalifat für Realität und nennt sich nun nur noch Islamischer Staat.
Ihr Anführer al-Bagdadi galt bislang als äußerst öffentlichkeitsscheu, von ihm existieren fast keine Bilder oder Videos. Ob der nun in dem Video gezeigte Mann tatsächlich der Isis-Kommandeur ist, ist deshalb kaum zu überprüfen. Er trägt einen Bart, ein schwarzes Gewand und einen schwarzen Turban. Der Film soll eine Predigt Al-Bagdadis während des Freitagsgebets zeigen.
Ein hoher irakischer Geheimdienstbeamter sagte, man gehe nach einer vorläufigen Analyse des Films davon aus, dass es al-Bagdadi sei. Am Freitagmittag sei in Mossul ein großer Konvoi angekommen. Danach seien die Mobilfunknetze in der Stadt ausgefallen. Diese hätten erst wieder funktioniert, als die Wagenkolonne abgefahren war. Ein Bewohner Mossuls bestätigte den zeitweiligen Ausfall des Netzes während der Freitagsgebete.
Mit Bulldozern gegen Heiligtümer
Darüber hinaus erschienen auf einer von Extremisten genutzten Webseite Fotos, die die Zerstörung schiitischer Schreine und Moscheen in dem von Isis beherrschten Gebiet belegen sollen. Einige Fotos zeigen Bulldozer, die sich durch die Wände pflügen, andere dokumentieren offenbar Explosionen in den Bauwerken, Rauchschwaden und Geröll. Bewohner von Mossul und Tal Afar bestätigten die Zerstörung am Samstag.
Die sunnitischen Extremisten sehen schiitische Muslime als Ketzer und Heiligenanbetung als Gotteslästerung an. Ihr Kampf gegen die schiitisch geführte Regierung wird teils auch von gemäßigten Sunniten unterstützt, die sich im Irak ausgegrenzt und entmachtet fühlen.
Die irakische Regierung und ihre Streitkräfte waren von dem Isis-Vormarsch völlig überrumpelt worden. Viele irakische Soldaten flohen oder liefen zu den Aufständischen über. Inzwischen hat die Regierung eine Gegenoffensive gestartet, allerdings bislang ohne durchschlagenden Erfolg. Vor diesem Hintergrund versetzte Ministerpräsident Nuri al-Maliki am Samstag die Chefs von Heer und Bundespolizei in den Ruhestand, wie das Militär mitteilte. Nachfolger seien noch nicht benannt.
In Syrien veranlasste das Erstarken der Isis die Führung der moderaten Rebellen der Freien Syrischen Armee zu einem dramatischen Hilfsappell an den Westen. „Wir bitten dringend um Hilfe für die FSA mit Waffen und Munition, um eine humanitäre Katastrophe zu vermeiden, die unser Volk bedroht“, erklärte FSA-Kommandeur Abdul-Ilah al-Baschir. „Wenn wir nicht schnell Unterstützung bekommen, wird das Desaster nicht an der Grenze enden. Wir stellen die internationale Gemeinschaft vor ihre historische Verantwortung.“
5 Jul 2014
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
Kein Sicherheitsrisiko, aber besorgniserregend: So schätzt die Internationale Atomenergiebehörde die Substanzen ein, die in Händen der Islamisten im Irak sind.
Die Isis-Milizen im Irak haben laut UN eine frühere Chemiewaffenanlage besetzt. Die Raketen dort enthalten Nervengas, seien aber „kaum brauchbar“.
Irakische Soldaten haben wohl die Grenze nach Saudi-Arabien den dortigen saudischen Truppen überlassen. Derweil hat Isis mit dem Verkauf von Rohöl begonnen.
Anhänger eines hohen schiitischen Geistlichen kämpfen in der Stadt Kerbela mit der Armee. Mehrere Menschen sterben. Regierungschef al-Maliki warnt die Kurden.
Das „Kalifat“ der Isis-Miliz im Irak ist weit weg davon, ein wirklicher Staat zu sein. Doch seine Ausrufung hat ohnehin eher propagandistische Zwecke.
Obamas Ziele unterscheiden sich von denen seines Vorgängers, seine Methoden bleiben aber gleich. Über den Irak sollte er mit dem Iran verhandeln.
Die Isis-Milizen rufen ein grenzübergreifendes Kalifat aus. Derweil gibt es aus der strategisch wichtigen Stadt Tikrit unterschiedliche Informationen.