taz.de -- Europäische Union wieder uneins: Drei Krisenherde, 28 Meinungen

Bei einem Botschaftertreffen in den Sommerferien sondieren die EU-Außenvertreter die Lage in der Welt. Es herrscht Vielstimmigkeit.
Bild: Jesiden auf der Flucht in Silopi an der türkisch-irakischen Grenze

BRÜSSEL taz | Die Europäische Union ist außenpolitisch schon wieder tief gespalten. Weder zum Irak noch zu Nahost oder dem Spannungsgebiet Ukraine/Russland ziehen die 28 an einem Strang. Am Dienstag versuchten die EU-Botschafter in Brüssel, wenigstens das Gesicht zu wahren – zunächst ohne greifbaren Erfolg.

Beispiel Irak: Während die USA Waffen an die Kurden liefern, um sie im Kampf gegen die islamistische IS-Miliz zu stärken, haben die Europäer bisher wenig getan. Nur Großbritannien und Frankreich zeigten Präsenz vor Ort, Deutschland gab Geld für humanitäre Hilfe frei. Die Debatte der Botschafter in Brüssel kreiste um mögliche EU-Aktionen sowie um die Frage, wie der Machtkampf in Bagdad zu bewerten sei. Über mögliche Waffenlieferungen soll auch künftig jedes EU-Land allein entscheiden.

Beispiel Nahost: Noch vor zehn Jahren war die EU führend, wenn es um eine Friedenslösung ging. Im aktuellen Konflikt um Gaza und die Hamas ist sie jedoch kaum präsent. Außenvertreterin Catherine Ashton hält sich sehr zurück; derzeit ist sie in Vietnam. Derweil streiten die 28 EU-Staaten, ob und wie sie Druck ausüben könnten - und wie eine mögliche EU-Hilfe aussehen soll. Im Gespräch ist eine EU-Mission am Grenzübergang Rafah - doch die gab es früher schon einmal, sie wurde von Israel boykottiert.

Beispiel Ukraine/Russland: Als auf dem Maidan geschossen wurde, war die EU sofort mit drei Außenministern in Kiew zur Stelle. Nun, da Donezk unter Dauerbeschuß liegt und Zehntausende um ihr Leben fürchten, halten sich die Europäer bedeckt. Einigkeit besteht nur darin, dass man eine humanitäre Mission unter der Ägide Moskaus ablehnt. Doch schon um die Frage, ob man von Kiew eine Waffenruhe fordern soll, gibt es Streit. Auch die Antwort auf die russischen Sanktionen gegen den Westen ist umstritten.

Die Krise erfordere einen „schwierigen Spagat“, da man sowohl für die territoriale Integrität der Ukraine als auch für eine Waffenruhe eintrete, sagte ein EU-Diplomat. So wünscht sich die Bundesregierung zwar eine politische Lösung des Konflikts; sie scheut sich aber auch, Druck auf die Frührung in Kiew zu machen. Im Februar war das noch anders: Da setzte Außenminister Frank-Walter Steinmeier dem damaligen Staatschef Janukowitsch die Pistole auf die Brust - kurz danach schwiegen die Waffen.

Immerhin einigten sich Berlin und Paris am Dienstag auf eine gemeinsame Linie. Beide wollten ihre gemeinsamen Anstrengungen für eine politische Lösung fortsetzen, hieß es in Paris. Ob die übrigen EU-Staaten mitziehen, blieb beim Botschaftertreffen in Brüssel zunächst offen.

12 Aug 2014

AUTOREN

Eric Bonse

TAGS

Schwerpunkt Nahost-Konflikt
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
„Islamischer Staat“ (IS)
Frank-Walter Steinmeier
Catherine Ashton
Euromaidan
Serbien
Ukraine
Russland
Ukraine
Kurden
Bundesregierung
Sanktionen
Israel

ARTIKEL ZUM THEMA

Debatte Euromaidan: Marshallplan für die Ukraine

Aktivisten finden, dass es einen neuen Maidan gäbe, wenn der Konflikt mit Russland nicht wäre. Die Regierung in Kiew blockiert auch die Zivilgesellschaft.

Serbiens Wirtschaft in der Ukraine-Krise: Im Ost-West-Spagat

EU-Anwärter Serbien soll sich dem Embargo gegen Russland anschließen. Aber das Land ist von russischer Wirtschaftshilfe abhängig.

Report aus dem Kriegsgebiet Ostukraine: Im Kessel von Donbass

Die Versorgung ist nahezu zusammengebrochen. Eine Flucht wird schwieriger. Nachts schlafen die Menschen unter dem Lärm der Bomben.

Russische Erdgaslieferungen nach Europa: Die Leitung bleibt auf, zu, auf, zu

Auch die Ukraine will Sanktionen gegen Russland verhängen. Dies könnte Gaslieferungen nach Westeuropa gefährden.

Krieg in der Ostukraine: Hilfskonvoi aus Moskau unerwünscht

Die Regierung in Kiew will auf keinen Fall, dass 280 russische LKWs in die Ukraine gelangen. Nahe Lugansk toben heftige Kämpfe zwischen Militär und Separatisten.

Gregor Gysi für deutsche Waffenexporte: „Größeres Unheil verhindern“

Linkspartei-Fraktionschef Gysi fordert, dass Deutschland Waffen an PKK, Peschmerga und den Irak exportiert. Nur so könne der Terror von IS gestoppt werden.

Deutschland und der Krieg im Nordirak: Zahlen und raushalten

Während die USA und andere Staaten handeln, reagiert die Bundesregierung zögerlich. Außer Finanzhilfen gibt es bisher keinen Plan.

Polen protestieren gegen Putin: Einfach mehr Apfelwein trinken

Mit Witz und Bauernschläue wehren sich die Polen gegen das russische Embargo. Doch die Obst- und Gemüsebauern des Landes leiden.

Debatte Israels Politik und der Westen: Mit Sicherheit falsch

Die Rechte der Palästinenser werden durch Netanjahus Politik missachtet. Das ist das größte Sicherheitsrisiko. Widerspruch aus dem Westen fehlt.