taz.de -- Kolumne Pflanzen essen: Man isst mit den Eckzähnen
Bevor ein Fleischfresser bei der Ernährungsdebatte die Natur ins Spiel bringt, sollte er sein Argument noch einmal überdenken.
„Die Natur hat den Menschen dafür gemacht, Fleisch zu essen, deshalb haben wir schließlich Reißzähne“, versuchte ein fleischfressender Freund mich kürzlich zu ärgern, als ich es wagte, im Restaurant Reispfanne mit Gemüse, bitte nicht in Hühnerbrühe gekocht, zu bestellen.
„Du meinst die Eckzähne“, korrigierte ich ihn, „aber egal, auf in die Steppe, König der Löwen! Hetze eine Gazelle, bis sie kollabiert, und stürze dich dann nackt und unbewaffnet auf sie und reiße sie mit deinen bloßen Zähnen, so wie es die Natur vorgesehen hat.“ Daraufhin mahlte besagter Freund beleidigt schweigend sein Entrecôte.
Fürs Mahlen ist das Gebiss des Allesfressers Mensch auch von Natur aus geschaffen, nicht fürs Reißen, Witze auf Kosten von Veganern ausgenommen. Und die Eckzähne teilen wir Menschen übrigens mit Gorillas, Pferden und Flusspferden, allesamt Pflanzenfresser. Wer in der Ernährungsdebatte die Natur ins Spiel bringt, sollte sein Argument genau unter die Lupe nehmen. Soweit ich weiß, betreibt Mutter Natur weder Mastbetriebe, in denen Tiere keine Sonne sehen und kein Gras wachsen hören, noch lässt sie es Antibiotika und Hormone auf die Erde regnen.
Evolution hingegen ist etwas Natürliches. Und so betrachtet ist es der Menschheit heute nicht nur möglich, sondern ihrem Überleben sogar äußerst zuträglich, auf eine pflanzliche Ernährung umzustellen. Das zeigen auch wissenschaftliche Sachbücher wie „The China Study“.
Meine Zähne, die ich REISzähne getauft habe, sind inzwischen spezialisiert auf Reismilch, Reis-Eiscreme, Reis-Speck (gibt es tatsächlich und nennt sich „Smart Bacon“) und Reispfannen. In Letztere haue ich gelegentlich liebevoll meine (noch) fleischfressenden Freunde.
4 Jan 2015
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