taz.de -- Kolumne Pflanzen essen: Jack the Ripper der Gurken
Pflanzen sind Lebewesen, aber können sie auch Schmerzen empfinden? Selbst wenn, ist Veganismus immer noch die bessere Ernährungsweise.
„Dein armer Salat würde bestimmt schreien, wenn er könnte“, witzelte mein Bruder Fabian, als wir gemeinsam essen waren, während ihm der Steaksaft vom Kinn tropfte. Lustig, dass viele Omnivoren genau dann ganz großes Mitleid mit Pflanzen bekommen, wenn sie sich in der Gesellschaft eines Veganers der eigenen Essgewohnheiten bewusst werden und sich dadurch angegriffen fühlen. Diese Art der Argumentation ist in der Philosophie als „tu quoque“ („auch du“) bekannt: Man versucht, eine These mit dem Verhalten des Gegners zu widerlegen.
Dass mein Basilikum nicht „Aua!“ schreit, wenn ich ihm ein Blatt abzwicke, liegt keineswegs nur daran, dass er nicht im herkömmlichen Sinne sprechen kann. Pflanzen reagieren zwar auf Stimuli, aber sie verfügen nicht – wie Tiere – über ein Zentralnervensystem, das ihre Schmerzen ans Gehirn weiterleitet und sie zur Flucht motiviert.
Aber selbst wenn Pflanzen Schmerz empfinden würden und ich somit der Jack the Ripper der Gurken wäre – welche Art der Ernährung wäre die beste, um Leid zu minimieren? Da besagtes Zentralnervensystem sowie der Überlebensinstinkt uns in der Regel davon abhalten, dass wir uns, Tieren und Pflanzen zuliebe, zu Tode hungern, wäre es immer noch die bessere Lösung, eine pflanzliche Ernährung zu wählen.
Denn um Tierprodukte zu produzieren, muss ein Vielfaches an Pflanzenprodukten verfüttert werden: bis zu zwölf Kilo Sojaschrot, um ein Kilo Rindfleisch herzustellen. Dieser Rechnung nach haben Fleischesser wesentlich mehr Pflanzen auf dem Gewissen als jemand, der sich vegan ernährt. Und da, liebes Bruderherz, hast du den Salat, Tomaten auf den Augen inklusive.
26 Jan 2015
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