taz.de -- Die Streitfrage: Witze machen über Religion?

„Charlie Hebdo“ hat über alle Religionen gespottet – und will es weiterhin tun. Muss das sein?
Bild: Jetzt erst recht?

Der Prophet Mohammed, Jesus oder der Papst – dem Satireblatt Charlie Hebdo war nichts heilig. Immer wieder machten sich die Zeichner über die verschiedenen Religionen lustig. Als die französische Zeitschrift 2012 Mohammed-Karikaturen veröffentlichte, ließ Frankreich mehrere Botschaften schließen – aus Angst vor der Rache islamischer Radikaler. Chefredakteur Stéphane Charbonnier sagte damals: „Unsere Absicht ist es nicht zu provozieren, sondern im Gegenteil auf die Provokation zu antworten.“

Nun sind Charbonnier und drei andere Zeichner tot. Am vergangenen Mittwoch hatten zwei schwer bewaffnete Männer die Redaktion gestürmt. Sie erschossen dort und auf der Flucht insgesamt zwölf Menschen.

Viele deutschsprachige Zeitungen haben nach dem Attentat religionskritische Zeichnungen des Magazins aus Solidarität nachgedruckt. Ganz anders in den USA. In den dortigen Medien sind die Karikaturen kaum zu sehen. Begründung: Man wolle keine religiösen Gefühle verletzen. Dabei gilt Amerika als Land der Meinungsfreiheit – und erlaubt selbst rechtsradikale Äußerungen, die in Deutschland als volksverhetzend gelten würden.

Witze machen Schlimmes erträglich

Aber auch hierzulande werden kritische Stimmen laut. Unter dem Hashtag #JeNeSuisPasCharlie formiert sich auf Twitter eine Gruppe, die den Anschlag auf die Redaktion zwar verurteilt, sich gleichzeitig aber von den Inhalten des Satireblattes distanziert.

Die Diskussion ist in Deutschland nicht neu. Vergangenes Jahr hatte ein Muslim den Kabarettisten Dieter Nuhr angezeigt – mit der Begründung, dass er gegen eine gesellschaftliche Minderheit hetze. Nuhr witzelte unter anderem: „Im Islam ist die Frau zwar frei, aber in erster Linie frei davon, alles entscheiden zu müssen.“

Auch die katholische Kirche versteht wenig Spaß. Als die Komikerin Carolin Kebekus 2013 in ihrem Video „Dunk dem Herrn“ als anzügliche Nonne auftrat, forderte die katholische Pius-Bruderschaft ihre Anhänger dazu auf, Anzeige zu erstatten. Der WDR zog den Clip noch vor der ersten offiziellen Ausstrahlung zurück. Das deutsche Satiremagazin Titanic machte sich 2012 Feinde unter den Gläubigen, als es auf einem Titel Papst Benedikt XVI. mit Urin und Kot befleckter Soutane zeigte. Darauf stand – in Anspielung auf den Skandal um die Veröffentlichung vertraulicher Vatikan-Dokumente – „Halleluja im Vatikan. Die undichte Stelle ist gefunden!“. Beim deutschen Presserat gingen zahlreiche Beschwerden ein, der Vatikan versuchte juristisch gegen das Titelbild vorzugehen. Eine übertriebene Reaktion?

Titanic-Chefredakteur Tim Wolff sagte der taz in einem Interview nach den Anschlägen in Paris: [1][„Witze taugen dazu, sehr ernste Geschehnisse erträglich zu machen.“] Auch Charlie Hebdo lässt sich nicht einschüchtern. Am Mittwoch soll eine neue Ausgabe mit einer Rekordauflage von drei Millionen Exemplaren erscheinen. Auf dem Titelbild: der Prophet Mohammed.

Was meinen Sie: Muss man über Religionen Witze machen, gerade jetzt? Oder sollte Satire Rücksicht auf religiöse Gefühle nehmen?

Diskutieren Sie mit! Wir wählen unter den interessantesten Kommentaren einen oder zwei aus und veröffentlichen sie in der taz.am wochenende vom 17./18. Januar 2015. Ihr prägnantes Statement sollte nicht mehr als 400 Zeichen umfassen und mit Namen, Alter, einem Foto und der E-Mail-Adresse der Autorin oder des Autors versehen sein. Schicken Sie uns eine Mail an: streit@taz.de

13 Jan 2015

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Luz

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