taz.de -- Kommentar Linke und EU-Kredite: Ein Schrittchen in Richtung Realpolitik
Dass die Linke den Finanzhilfen zustimmt, ist richtig. Alles andere ist zynischer Verbalradikalismus, der Griechenland ins Desaster stürzen würde.
Die Linksfraktion ist, anders als bisher, [1][nicht mehr gegen EU-Kredite] für Athen. Die Bedingungen für Griechenland sind zwar nur ein wenig besser als bisher, allerdings regiert nun Syriza – und damit gibt es die Chance einer gerechteren Politik in Athen. Wer den Wandel des Abstimmungsverhaltens der Linksfraktion für inkonsequent hält oder doch mit Nein stimmt, folgt der Logik der Sekte. Erst muss die Welt perfekt sein, ehe sie es verdient, akzeptiert zu werden.
Ein Nein ist auch deshalb hohler, ja zynischer Verbalradikalismus, weil damit für abstrakte Gesinnungsreinheit eine Katastrophe für Griechenland in Kauf genommen wird. Denn der Zwangsaustritt aus dem Euro hätte für die Ärmeren in Griechenland noch verheerendere Folgen als die von der Troika verordnete Sparpolitik. Schlimmer als der Euro ist für Athen nur kein Euro.
Griechenland, das sogar Nahrungsmittel importieren muss, würde mit einer radikal abgewerteten Drachme und ohne Zugang zu Finanzmärkten auf eine nationale Katastrophe zusteuern. Ganz Griechenland? Keineswegs – denn das obere Fünftel hat seine Euro in Sicherheit geschafft. Allein im Januar sind 12 Milliarden Euro ins Ausland transferiert worden – Tendenz steigend.
Syriza ist ein Symbol, auch für die Linkspartei. Wer regiert, bekommt es mit mächtigen Gegnern und Sachzwängen zu tun und muss Kompromisse schließen. Ja, man kann, muss viel an dem realpolitischen Deal kritisieren, den Tsipras mit der EU ausgehandelt hat. Dass die Genossen großteils diesen Deal unterstützen, zeigt, dass die Linkspartei doch noch Bodenhaftung hat. Die nächste Prüfung in Sachen Politikfähigkeit dürfte ins Haus stehen, wenn der Erfurter Ministerpräsident Bodo Ramelow im Bundesrat bei Strittigem zustimmt. Die Linkspartei bewegt sich in Richtung Realpolitik. Jedenfalls in Zeitlupe.
26 Feb 2015
LINKS
AUTOREN
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
Die Leute kaufen nur in kleinen Mengen ein, sagt Käseproduzent Matsorakis. „Es gibt einfach kein Geld.“ Er vermarktet seinen Käse lieber direkt.
Ist die griechische Linke vor der EU eingeknickt? Für ein endgültiges Urteil ist es zu früh. Doch eine alternative Lesart ist möglich.
Mit großer Mehrheit hat das Parlament für die Verlängerung des Hilfsprogramms für Athen gestimmt. Das Land hat nun mehr Zeit, das Reformprogramm abzuarbeiten.
Kurz vor der Bundestagsabstimmung über Finanzhilfen für Griechenland demonstrieren in Athen mehrere hundert Linksautonome gegen die Einigung mit der Eurogruppe.
Der Umgang mit Athen bezeugt den Rückfall in nationale Narrative. Dabei ist Syriza eine echte Chance. Doch Europa und der Bundestag werfen sie weg.
Deutschland hat seinen Kurs mithilfe von Entscheidern an wichtigen Positionen durchgesetzt. Dabei steht bei Krediten Luxemburg vorn – pro Kopf gerechnet.
Kurz vor der Bundestagsabstimmung über Finanzhilfen für Athen spricht der griechische Finanzminister erneut von einer „Umschuldung“. Schäuble reagiert gereizt.
Erstmals könnte die Linke den Rettungspaketen für Athen zustimmen. Nicht alle Parteimitglieder werten das als gute Strategie.
Athen schlägt moderate Töne an, um die Euro-Partner vom Reformwillen überzeugen. Freitag stimmt der Bundestag über eine Verlängerung der Hilfszahlungen ab.
Die griechische Regierung musste mit der To-do-Liste ihr Wahlprogramm auf den Kopf stellen. Das Schuldendrama ist damit aber noch nicht zu Ende.
EU-Kommission, IWF und Euro-Finanzminister halten das Reformprogramm für ausreichend. Das muss nun detailliert ausgearbeitet werden – in zwei Monaten.
Auf der griechischen Reformliste steht der Kampf gegen die Armut an letzter Stelle. Betont wird, er habe keinen Einfluss auf die Steuereinnahmen.