taz.de -- Sicherheitsgesetz in der Türkei: Polizeistaat vorerst abgewendet

Die Reform des Demonstrationsstrafrechts ist vorerst gestoppt. Der Verzicht auf die Novelle erfolgte offenbar aus Rücksicht auf Verhandlungen des Kurdenkonflikts.
Bild: Demonstration an einem Gedenktag gegen die Polizeigewalt im Gezi-Park 2013.

ANKARA afp | Die türkische Regierung hat die Parlamentsberatung über eine umstrittene Reform des Demonstrationsstrafrechtes überraschend gestoppt. Nach mehrwöchigem, teils tumultartigem Streit im Parlament wurden die noch nicht beschlossenen Teile des Sicherheitsgesetzes in einen Ausschuss der Volksvertretung zurückverwiesen, wie die Nachrichtenagentur Anadolu am Freitag berichtete. Der zumindest vorläufige Verzicht auf die Novelle, die der Polizei zusätzliche Vollmachten einräumen soll, erfolgte demnach offenbar aus Rücksicht auf die Verhandlungen über eine Beilegung des Kurdenkonflikts.

Das neue Demonstrationsstrafrecht soll nach dem Willen der Regierung von Ministerpräsident Ahmet Davutoglu die Befugnisse der Polizei bei Festnahmen, Durchsuchungen und beim Schusswaffengebrauch erweitern. Kritiker beschreiben die Maßnahmen als Schritt in Richtung eines Polizeistaates. Die Mitte Februar begonnenen Parlamentsberatungen über das 130 Gesetze umfassende Paket waren zeitweise in wüste Schlägereien im Plenum ausgeartet.

Der kürzliche Appell des inhaftierten kurdischen Rebellenchefs Abdullah Öcalan an seine verbotene Arbeiterpartei Kurdistans (PKK), die Waffen niederzulegen, hatte die Diskussion über das Demonstrationsstrafrecht zusätzlich verschärft. Die Kurdenpartei HDP erklärte, Nachbesserungen oder ein gänzlicher Verzicht auf das Gesetzespaket seien die Voraussetzung für eine Einigung zwischen der PKK und dem türkischen Staat auf eine Beilegung des Kurdenkonflikts.

Die Friedensverhandlungen zwischen Öcalan und dem türkischen Staat befinden sich in einer entscheidenden Phase. Einige Beobachter rechnen mit einem Durchbruch noch vor dem kurdischen Frühlingsfest Newroz am 21. März. Die PKK kämpft seit 1984 gegen die Türkei. In dem Krieg haben mehr als 40.000 Menschen ihr Leben verloren.

13 Mar 2015

TAGS

PKK
Polizei
Demonstrationsrecht
Schwerpunkt Türkei
Abdullah Öcalan
Ahmet Davutoglu
Frieden und Krieg
Kurden
Berkin Elvan
Abdullah Öcalan

ARTIKEL ZUM THEMA

Gefecht in der Türkei: Fünf PKK-Kämpfer getötet

Seit zwei Jahren herrscht zwischen der kurdischen PKK und dem türkischen Staat Waffenruhe. Nun wurden fünf Mitglieder der PKK getötet und vier Soldaten verletzt.

Machtkampf in der Türkei: AKP-Regierung gegen AKP-Präsident

Der Machtanspruch von Präsident Erdogan verprellt seine eigene Regierung. Beide Lager liefern sich eine öffentliche Schlammschlacht.

Kurdisches Neujahrsfest Newroz: PKK-Chef ruft zu Frieden auf

Zehntausende kamen im Konflikt zwischen PKK und der türkischen Regierung ums Leben. Der inhaftierte PKK-Chef Öcalan möchte den Kampf beenden.

Razzia wegen PKK-Verdachts: Polizei durchsucht Wohnungen von Kurden

Beamte wühlen nach Propagandamaterial der verbotenen Arbeiterpartei PKK. Ein kurdischer Verein fordert, die Kriminalisierung der Kurden zu beenden.

Gedenken und Gewalt in Istanbul: „Berkin ist hier“

Vor einem Jahr starb der 15-jährige Berkin Elvan bei den Gezi-Protesten. Nun ging die Polizei erneut gewaltvoll gegen die Gedenkdemonstrationen vor.

Kolumne Besser: Frieden mit Tayyipistan?

Wenn es so weitergeht, wird das Verbot der kurdischen Arbeiterpartei PKK in der Türkei noch eher aufgehoben als in Deutschland.