taz.de -- Kommentar Putsch in Burundi: Generation Machtwechsel

Der Sturz von Autokraten ist ein Ziel, das Solidarität verdient. Das gilt auch, wenn nur ein Militärputsch den Machtwechsel einleiten kann.
Bild: Am 10. Mai demonstrierten in Bujumbura Frauen für inhaftierte Protestierende.

Noch ist überhaupt nicht sicher, ob der Umsturz in Burundi gelingt – und wenn, ob er eines der ärmsten Länder der Welt tatsächlich auf einen besseren politischen Weg führt. Aber dass es überhaupt so weit kommt, dass die Bevölkerung der Hauptstadt quer über ethnische und politische Grenzen hinweg den Aufstand gegen einen Präsidenten gewagt hat, der sich per Verfassungsbruch an der Macht halten wollte, ist allein schon bemerkenswert.

Angesichts brutaler Gewalt durch eine rabiate Polizei und eine terroristische Parteimiliz haben die Protestierenden von Bujumbura in den letzten drei Wochen großen Mut bewiesen. Dass ihnen jetzt die Armee zur Seite steht und im Namen der Verfassung den Präsidenten abzusetzen versucht, ist nicht als Militärputsch zu verdammen, sondern als Notbremse zu begrüßen.

Das Reden vom „afrikanischen Frühling“, der im Sinne der Revolten in Tunesien und anderen nordafrikanischen Ländern Anfang 2011 weitere verknöcherte Diktatoren abschüttelt und Demokratie erblühen lässt, ist in reichen westlichen Ländern nie wirklich angekommen: Zu groß ist die Ernüchterung darüber, was daraus in Ägypten und Libyen folgte.

In Afrika insgesamt jedoch haben die nordafrikanischen Umstürze – in Staaten, die einst stabiler aussahen als fast alle Länder südlich der Sahara – Mut gemacht: Eine Veränderung der Verhältnisse ist möglich. Eine neue, global vernetzte und innovative afrikanische Generation drängt ungestüm in die Politik und hat wenig Geduld mit alten Herren.

Neuanfang vor Gewehrläufen

Kein Thema mobilisiert die afrikanische Jugend so zuverlässig und massiv wie das Bestreben afrikanischer Herrscher, noch länger im Amt zu bleiben, als es ihre Verfassung erlaubt, oder Wahlen so zu manipulieren, dass kein friedlicher Machtwechsel möglich ist. Und immer wieder zeigt sich: Die Armee, die ja auch größtenteils aus Jugendlichen besteht, kann mit den Gewehrläufen den Weg zum politischen Neuanfang ebnen.

In Burundi ist das keineswegs sicher. Einen Tag nach dem Umsturz versinkt Bujumbura in Gewalt, die alten Bürgerkriegsparteien greifen wieder nach ihren alten Gewehren und Macheten. Sollten Burundis Erneuerer nicht die Oberhand behalten, droht ein lang anhaltendes Blutvergießen. Das darf nicht passieren. Die mutigen Demonstranten von Bujumbura, die ihr Leben für die Zukunft des Landes aufs Spiel setzen, haben Solidarität verdient.

14 May 2015

AUTOREN

Dominic Johnson

TAGS

Zivilgesellschaft
Zehn Jahre Arabischer Frühling
Putsch
Burundi
Ägypten
Schwerpunkt Demokratische Republik Kongo
Putsch
Putsch
Tansania

ARTIKEL ZUM THEMA

Al-Dschasira Journalist festgenommen: Deutschland vollstreckt für Ägypten

Ahmed Mansur gehört zu den bekanntesten Journalisten der arabischen Welt. Jetzt wurde er in Deutschland auf Bitte Ägyptens festgenommen.

Machtkampf in Burundi: Risiko im Friedensprozess

Von Burkina Faso bis Burundi stürzen Präsidenten, die sich an der Macht verewigen wollen. Aber in Burundi steht auch der Frieden auf dem Spiel.

Machtkampf in Burundi: Putsch mit unklarem Ausgang

Rivalisierende Armee-Einheiten kämpfen um die Macht in Burundi. Ob sich einer der Generäle schnell durchsetzen kann, ist unklar.

Putsch in Burundi: Armee übernimmt die Macht

Der Präsident im ärmsten Land Afrikas ist abgesetzt. Der Generalmajor Niyombare hat die Macht übernommen. In Burundis Hauptstadt fallen Schüsse.

Kandidatur in Burundi: Richter segnen dritte Amtszeit ab

Das Verfassungsgericht erklärt die umstrittene Kandidatur von Präsident Pierre Nkurunziza für rechtens. Der Vizepräsident flieht nach Ruanda.