taz.de -- Problematischer Vorstoß der CDU: Stigma statt Sicherheit

Ein Register für psychisch Kranke? Der Vorschlag des CDU-Politikers Carsten Linnemann hat keinen Mehrwert für die innere Sicherheit.
Bild: Umstritten, mal wieder: CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann

Als Betroffene einer psychischen Erkrankung und als Paderbornerin, dem Wahlkreis von Carsten Linnemann, empfinde ich die Forderung des CDU-Politikers nach einem Register für psychisch Kranke als verstörend und gesellschaftlich fatal.

Im Deutschlandfunk sagte er: „Ich ziehe die Lehre daraus, dass Attentäter in Deutschland nicht einfach zu definieren sind. Ich meine, wir haben große Raster angelegt für Rechtsextremisten, für Islamisten, aber offenkundig nicht für psychisch kranke Gewalttäter. Und das ist einfach ein großes Defizit in Deutschland… Es reicht nicht aus Register anzulegen für Rechtsextremisten und Islamisten, sondern in Zukunft sollte das auch für psychisch Kranke gelten.“

Psychische Erkrankungen betreffen Millionen Menschen in Deutschland. Depressionen, Angststörungen und weitere sind keine Randphänomene, sondern alltägliche Realität.

Wer ein Register fordert, fördert nicht nur Stigmatisierung, sondern schreckt auch diejenigen ab, die dringend Hilfe benötigen. Schon heute suchen viele Betroffene viel zu spät oder gar nicht nach Unterstützung – aus Angst vor gesellschaftlicher Abwertung.

Instrumentalisierung des Magdeburger Anschlags

Nach dem [1][Anschlag auf den Magdeburger Weihnachtsmarkt] wurde die rechtsextreme Ideologie des mutmaßlichen Täters Taleb A. offenbart. Statt über die Bekämpfung von Rechtsextremismus zu sprechen, führt die CDU eine Debatte zu Migration und psychischen Erkrankungen. [2][Dabei besteht zwar der Verdacht, Taleb A. habe eine psychische Erkrankung], aber eine Diagnose fehlte.

Ein Register hätte ihn also nicht erfasst, der Anschlag hätte dadurch wohl nicht verhindert werden können. Stattdessen sollte Linnemann lieber über das [3][Versagen der Sicherheitsbehörden] unter Innenministerin Zieschang (CDU) sprechen.

Gewalt entsteht aus komplexen Gründen

Gewalt entsteht aus Ideologien, Radikalisierung, strukturellen Defiziten und persönlichen Krisen. Ein Register für psychisch Kranke würde Gewalt nicht bekämpfen, sondern das [4][Vertrauen in unsere Gesellschaft] erodieren lassen.

Die meisten [5][Gewalttaten stammen von Männern]. Würde jemand ernsthaft vorschlagen, ein Register für Männer zu führen? Natürlich nicht – genauso absurd ist diese Debatte.

Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version des Kommentars wurde Carsten Linnemann verkürzt zitiert.

1 Jan 2025

LINKS

[1] /Sondersitzung-zu-Magdeburg/!6053192
[2] /Nach-dem-Anschlag-von-Magdeburg/!6056812
[3] /Nach-dem-Anschlag-in-Magdeburg/!6059194
[4] /Magdeburg-nach-dem-Anschlag/!6052923
[5] /Rape-culture-in-der-Justiz/!6053239

AUTOREN

Daniela Sepehri

TAGS

Anschlag in Magdeburg
Psychische Erkrankungen
Psychische Belastungen
Innere Sicherheit
CDU
Stigmatisierung
GNS
Anschlag in Magdeburg
Anschlag in Magdeburg
Anschlag in Magdeburg

ARTIKEL ZUM THEMA

Sondersitzung zu Magdeburg: Viele Fragen, wenig Antworten

Zum Anschlag auf dem Weihnachtsmarkt fanden am Montag zwei Sitzungen im Bundestag statt. Dort haben die Politiker:innen Großes versprochen.

Magdeburg nach dem Anschlag: Nehmt Euch in den Arm!

Nach dem Anschlag in Magdeburg mehren sich die Angriffe auf Migrant:innen. Jetzt sollte die Zivilgesellschaft zusammenhalten.

Nach dem Anschlag in Magdeburg: Scholz fordert mehr Kompetenzen für Behörden

Bundeskanzler Scholz will eine konsequente Aufklärung möglicher Sicherheitslücken. Der Bundesopferbeauftragte verspricht den Betroffenen Hilfe.