taz.de -- Machtdemonstration Chinas: Xi stabil an Putins Seite

Den russlandfreundlichen Kurs Chinas hätte Europa erkennen können. Sofern die EU die Reden des chinesischen Staatschefs Xi Jinping genau verfolgt hätte.
Bild: Seite an Seite: der russische Präsident Wladimir Putin (l.) und der chinesische Präsident Xi Jinping, am 31.8.2025

Die Masken sind endgültig gefallen. Man könnte es positiv formulieren: Chinas diplomatische Machtdemonstration beim Gipfeltreffen der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SCO) sorgt zumindest für Klarheit. Doch die Wahrheiten, die während der Großveranstaltung in Tianjin zutage treten, dürfte insbesondere der Europäischen Union höchst bitter werden: Die Volksrepublik wird auf absehbare Zeit nicht von der Seite Russlands rücken, und sie wird sich zunehmend als Gegenmacht zum politischen Westen positionieren.

Was heutzutage mehr als deutlich ist, galt noch vor wenigen Jahren als kaum vorstellbar. Ein Rückblick: Kurz nachdem Russlands Präsident Wladimir Putin seine Panzer nach Kyjiw rollen ließ, vertraten die meisten europäischen Diplomaten noch eine naive Meinung: Xi Jinping sei pragmatisch genug, sich nicht auf die Seite Moskaus zu stellen. Was habe Russland dem Reich der Mitte denn schon zu bieten? Der größte Handelspartner fürs Reich der Mitte sei ja schließlich die Europäische Union.

Doch spätestens mit dem SCO-Gipfel ist offensichtlich, dass die chinesische Parteiführung einen anderen Kurs gewählt hat. Dass Peking einen autoritären, russlandfreundlichen Block anführt, stellt vor allem eins dar: den politischen Mittelfinger an den Westen. Man hätte den Reden Xi Jinpings nur genau zuhören müssen. Der 72-Jährige redet seit Längerem vom Aufstieg des Reichs der Mitte, während die westliche Weltordnung auf dem absteigenden Ast sei. Natürlich war dies auch eine Propagandabotschaft, doch spätestens mit US-Präsident Donald Trump wirkt Xis Vision immer realistischer.

Aus moralischen Gründen täte Europa zwar gut daran, seinen demokratischen Werten treu zu bleiben und die Abhängigkeiten gegenüber China zu begrenzen. Doch mit einem US-Präsidenten, der seinerseits im Rekordtempo sämtliche rechtsstaatliche Prinzipien über Bord wirft, drängt sich natürlich eine ganz realpolitische Frage auf: Kann sich die EU eine gewisse Moral überhaupt noch leisten?

1 Sep 2025

AUTOREN

Fabian Kretschmer

TAGS

Europäische Union
Wladimir Putin
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
Xi Jinping
China
Europa
Social-Auswahl
Reden wir darüber
Schwerpunkt Emmanuel Macron
China
China
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
KP China
Xi Jinping
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
China

ARTIKEL ZUM THEMA

Die „Koalition der Willigen“ in Paris: Willig, aber hilflos

In Paris wollte man über Sicherheitsgarantien sprechen – für die Ukraine eine Existenzfrage. Doch die Ergebnisse sind überschaubar und diffus.

Propaganda in Peking: Frieden spielen in Peking

Ein Tiktok-Clip der Linksjugend Solid feiert die „World Youth Conference for Peace“ in Peking. Doch Repression und Zwangsarbeit werden ausgeblendet.

80 Jahre Weltkriegsende in Asien: Xi Jinping lässt die Panzer rollen

Chinas Staatschef demonstriert bei einer großen Militärparade den Schulterschluss mit Putin und Kim und unterstreicht seine geopolitischen Ambitionen.

+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++: Erdoğan sieht keine Bereitschaft für Gipfel

Putin und Selenskyj seien „noch nicht bereit“ für ein Treffen, sagt der türkische Präsident. Eine neue Gaspipeline von Russland nach China ist vereinbart.

Autoritäres Bündnis Russlands und Chinas: Xi und Putin demonstrieren Einigkeit​

Sie loben sich und unterzeichnen 20 Abkommen: Chinas Präsident und Russlands Präsident rücken immer näher zusammen. In Sachen Ukraine lässt Xi Russland freie Hand.

Shanghaier Organisation für Kooperation: Autoritäre Internationale trifft sich in China

Xi Jinping und Wladimir Putin versprechen beim SCO-Gipfel eine neue Weltordnung und demonstrieren Einigkeit gegenüber dem politischen Westen.

+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++: Kreml-Chef erneut zu Gast in Peking

Putin reist zum Gipfel der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit. Selenskyj fordert von der SOZ Druck auf Moskau für eine Waffenruhe.

Gegenentwurf zur Nato trifft sich: Er hat einen Plan

Bei einem Gipfel in Tianjin will Staatschef Xi Jinping China als Gegengewicht zum Westen inszenieren. Das könnte klappen – dank Donald Trump.