taz.de -- Elektromobilität im Berliner ÖPNV: Elektrisch an die Wand
Bis 2030 sollte die BVG-Busflotte eigentlich komplett elektrisch fahren – aber aus diesem ehrgeizigen Ziel wird wohl nichts.
Berlin taz | In ihren Web-Auftritten stellen die Berliner Senatsverwaltungen nicht nur aktuelle Maßnahmen vor, sie präsentieren auch die langen Linien ihrer Politik. Manchmal hinken diese Informationen aber der Realität deutlich hinterher.
So heißt es [1][auf den Seiten der Senatsverwaltung für Mobilität und Verkehr]: „Berlin hat die Weichen auf Elektromobilität im Busverkehr gestellt. Bis 2030 sollen alle Busse der BVG elektrisch bzw. dekarbonisiert angetrieben sein. Der ÖPNV soll dann vollständig emissionsfrei betrieben werden.“ Tatsächlich ist dieses Ziel wohl längst Makulatur, wie die Verwaltung jetzt noch einmal in ihrer Antwort auf eine parlamentarische Anfrage andeutet.
Schon Anfang des Jahres hatte BVG-Chef Henrik Falk erklärt, elektrische Busse würden im Jahr 2035 (!) eine Mehrheit von 80 oder 90 Prozent der Flotte stellen. Der Rest fahre dann womöglich mit der Diesel-Alternative HVO, die unter anderem aus gebrauchtem Speiseöl hergestellt wird.
Abgesehen davon, dass die Klimaneutralität von HVO umstritten ist, war damit schon absehbar: Der ehrgeizige Zeitplan der verflossenen rot-grün-roten Landesregierung, der auch im laufenden Verkehrsvertrag mit der BVG festgehalten ist, scheint nicht mehr zu gelten.
„Ob das Ziel, die vollständige Dekarbonisierung der Busflotte bis 2030 abzuschließen, erreicht werden kann, lässt sich derzeit noch nicht abschließend beurteilen“, heißt es nun in der Antwort der Senatsverwaltung auf eine Anfrage von Antje Kapek, verkehrspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion. Denn: „Die termingerechte Umsetzung des Vorhabens hängt maßgeblich vom Abschluss der Neu- und Umbauten der Betriebshöfe ab, die eine Voraussetzung für den flächendeckenden Einsatz elektrischer Busse darstellen.“ Bei den entsprechenden Bauprojekten seien aber „verschiedene Herausforderungen aufgetreten, die zu einer zeitlichen Verzögerung führen.“
Am Geld liegt’s angeblich nicht
Auf Kapeks Frage, ob die mutmaßliche Aufgabe des 2030-Ziels mit den Haushaltseinschnitten von Schwarz-Rot zu tun habe, verneint die Verwaltung von Senatorin Ute Bonde (CDU): 2024 und 2025 seien nur Mittel gekürzt worden, „die aufgrund der zeitlichen Verschiebungen im Infrastrukturaufbau nicht in diesen Jahresscheiben benötigt wurden“.
Für die 319 E-Busse, die in den Jahren 2025-2027 angeschafft werden sollen, müsse das Land ohnehin nur 10 Prozent der Kosten tragen. 50 Prozent – und damit den Betrag, der für Dieselbusse fällig würde – zahle die BVG, der Rest stamme aus Bundesfördermitteln.
Das eigentliche Problem: Nur drei der sechs BVG-Betriebshöfe sind bislang auf Elektrobetrieb ausgelegt. Das reicht für die aktuell rund 240 E-Busse und für rund 100 mehr, dann ist aber Schluss. Wenn alle Busse elektrifiziert würden, ginge es aber um rund 1.500 Fahrzeuge. Laut BVG sollen zwar zwei neue E-Betriebshöfe in Treptow-Köpenick und Tempelhof-Schöneberg bis 2028 fertig sein, der Ausbau der Bestandsbetriebshöfe dauert aber nach derzeitigem Planungsstand bis 2035.
Für Antje Kapek ist damit klar: „Der Senat bricht seine Versprechen und fährt die E-Busförderung an die Wand.“ Damit steige angesichts verschärfter EU-Luftschadstoff-Grenzwerte ab 2030 auch das Risiko, dass die Grenzwerte nicht eingehalten werden.
Das aber könne „noch radikalere Lösungen bis hin zu Fahrverboten“ notwendig machen, so Kapek. „Die Verzögerungspolitik der CDU führt also nicht nur zu Problemen beim Klimaschutz, sondern potenziell auch zu unvermeidlichen Einschränkungen beim Autoverkehr.“
8 Jul 2025
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