taz.de -- Repressionswelle in Iran: Neue Festnahmen und Exekutionen
Irans Regime geht im Zuge der neuen israelischen Luftangriffe vermehrt gegen Kritiker:innen vor. Die NGO Iran Human Rights warnt vor Hinrichtungen.
Berlin taz | „Die können nicht mal die eigenen Kommandeure schützen!“, twitterte die Aktivistin Motahareh Goonei in Iran. Sie kritisierte die Regierung für ihre Reaktion [1][auf den israelischen Luftangriff vom Freitag] und forderte stattdessen Schutzmaßnahmen für die Bevölkerung. Keine zwei Stunden später wurde sie festgenommen.
Goonei war schon während der „Frau, Leben, Freiheit“-Proteste 2022 inhaftiert worden. Jetzt ist sie erneut im Visier des Regimes – weil sie öffentlich forderte, dass der Staat seine Bürger*innen schützen soll.
Ihre Verhaftung ist Teil der sich ausweitenden Repression [2][seit den jüngsten israelischen Luftangriffen] – ein Angriff, den Expert*innen als völkerrechtswidrig einstufen. Nur wenige Stunden nach dem Angriff drohte der Generalstaatsanwalt der Islamischen Republik der Bevölkerung mit strafrechtlichen Konsequenzen, sollten sie sich „falsch“ zum Krieg äußern und dadurch „die öffentliche Sicherheit gefährden“. Die unmissverständliche Warnung war der Auftakt einer Verhaftungswelle, wie sie das Land bereits kennt.
Schon am Freitagabend wurde die pensionierte Lehrerin Masoumeh Shahnavaz festgenommen. Am Samstag dann Goonei. In der Provinz Kerman nahm das Regime zwei Menschen wegen angeblicher „Zusammenarbeit mit Israel“ fest. In Shahrekord wurde eine weitere Person unter dem Vorwurf „Störung der geistigen Sicherheit der Gesellschaft“ inhaftiert – ein Code, der häufig verwendet wird, um regimekritische Äußerungen zu kriminalisieren. Am Sonntag meldete die staatliche Nachrichtenagentur Tasnim die Festnahme von 21 Personen in der Provinz Semnan – alle wegen Äußerungen in sozialen Netzwerken.
NGO warnte vor Hinrichtung
Gleichzeitig nutzt das Regime die aktuelle außenpolitische Eskalation, um [3][alte Repressionsmuster zu verschärfen]: Am Montag wurde Esmail Fekri hingerichtet, wegen angeblicher Spionage für Israel – ein Vorwurf, der meist ohne Beweise politischen Gefangenen gemacht wird, um sie zu exekutieren. Die Menschenrechtsorganisation Iran Human Rights hatte bereits vor dem Wochenende gewarnt, dass Fekri unmittelbar in Lebensgefahr schwebt.
Auch einem Europäer droht dieses Schicksal: Der schwedische Arzt Dr. Ahmadreza Djalali sitzt seit 2016 in iranischer Haft, er wurde ebenfalls wegen angeblicher Spionage für Israel zum Tode verurteilt. Iran Human Rights zählt ihn zu den politisch Inhaftierten, deren Hinrichtung akut droht.
Das Muster ist bekannt: Immer dann, wenn das Regime außenpolitisch unter Druck gerät, reagiert es mit mehr Gewalt gegen die eigene Bevölkerung. Besonders betroffen sind Oppositionelle sowie ethnisch marginalisierte Gruppen wie die Kurd*innen. Seit dem Terror der Hamas am 7. Oktober 2023 haben sich die Hinrichtungen im Iran verdreifacht. Immer häufiger mit dem Anklagepunkt der Spionage für Israel.
Die Eskalation nach außen hat eine innenpolitische Funktion: Sie bietet dem Regime einen Vorwand, um den inneren Feind zu bekämpfen: die eigene Bevölkerung.
16 Jun 2025
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