taz.de -- Maskenaffäre und Jens Spahn: „Drama in Milliardenhöhe“
Neue Details des Sudhof-Berichts belasten Ex-Gesundheitsminister Spahn. Der fordert inzwischen sogar selbst, den Report freizugeben.
Am Samstag war kurz alles wie sonst: Unionsfraktionschef Jens Spahn forderte etwas öffentlich, dieses Mal die Rückkehr zur Wehrpflicht. Für einen Moment verdrängte die Schlagzeile „Jens Spahn fordert“ die zahlreichen Vorwürfe, die sich gegen Spahn selbst richten – [1][zur Maskenaffäre, zum Masken-Sonderbericht und zu Spahns Fehlern zu Beginn der Coronapandemie 2020], als er Bundesgesundheitsminister war.
Das hielt nur kurz: Am Sonntag gelangten erneut Teile des unter Verschluss gehaltenen Sudhof-Berichts an die Öffentlichkeit. [2][NDR], WDR und [3][Süddeutsche Zeitung] zitierten aus dem 170-seitigen Report von Sonderermittlerin Margaretha Sudhof: Von „politischem Ehrgeiz“ getrieben, habe Spahn die Beschaffung der Masken „allein meistern“ wollen. Das und „fehlendes ökonomisches Verständnis“ hätten am Ende dazu geführt, dass nicht als „Team Staat“, sondern als „Team Ich“ gehandelt wurde. Das Ergebnis sei „ein Drama in Milliardenhöhe“.
Die Süddeutsche berichtet unter Berufung auf den Bericht, dass Spahn in der Pandemie viele Verantwortlichkeiten an sich gezogen und eigenmächtig gehandelt habe – oftmals entgegen dem Rat seiner eigenen Fachabteilungen. Die hätten empfohlen, das Innenministerium mit der Koordination der Maskenbeschaffung zu betrauen, denn dort gab es dafür Expert*innen. Auch der Corona-Krisenstab hatte die Zuständigkeit eigentlich so festgelegt.
Doch Spahn habe nicht auf die Expert*innen gehört. Stattdessen ließ er Masken im Wert von knapp 6 Milliarden Euro kaufen, von denen rund zwei Drittel nie gebraucht wurden. In die Kommunikation mit den Maskenlieferanten habe er sich immer wieder persönlich eingeschaltet, häufig soll er dazu SMS, Whatsapp oder seinen Abgeordneten-Mailaccount genutzt haben – alles Kommunikationswege, die im Ministerium nicht veraktet werden.
Warken will dem Ausschuss Bericht erstatten
Zuvor war aus dem Sudhof-Bericht bereits bekannt geworden, dass Spahn persönlich dafür gesorgt hatte, dass eine CDU-nahe Firma aus dem Münsterland mit der Logistik betraut wurde. Die Firma war überfordert, Masken konnten nicht geliefert werden. Einige Lieferanten wurden nicht bezahlt, viele von ihnen zogen vor Gericht, um Entschädigungen einzuklagen. Dem Bund drohen dadurch Kosten in Höhe von bis zu 2,3 Milliarden Euro.
Den Sudhof-Bericht hatte der ehemalige Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) in Auftrag gegeben, um Fehler bei der Maskenbeschaffung aufzuarbeiten. Im April wurde der Bericht fertiggestellt. Doch weder Lauterbach noch seine Amtsnachfolgerin und Spahns Parteikollegin Nina Warken haben ihn freigegeben – obwohl der Haushaltsausschuss des Bundestags die Bundesregierung schon im September vergangenen Jahres aufgefordert hatte, die Ergebnisse des Berichts mizuteilen.
Ein Sprecher der Bundesgesundheitsministeriums sagte am Montag, Ministerin Warken würde den Haushaltsausschuss in seiner nächsten regulären Sitzung am 25. Juni über die Ergebnisse des Berichts unterrichten. In der gleichen Woche soll Warken auch im Gesundheitsausschuss Rede und Antwort stehen. Den vollständigen Bericht sollen die Ausschüsse nach Willen des Ministeriums jedoch nicht erhalten, denn darin ginge es noch um laufende Verfahren.
Nicht nur der Opposition reicht das nicht. Der gesundheitspolitische Sprecher der SPD, Christos Pantazis, sagte der taz: „Vertrauen kann jetzt nur mit vollständiger Transparenz wiederhergestellt werden.“ Der Bericht müsse dem Parlament vollständig vorgelegt werden. Das fordert inzwischen sogar der Chef-Forderer Jens Spahn selbst. Er habe nichts zu verbergen.
16 Jun 2025
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