taz.de -- Erzählungen von Dahlia de la Cerda: Bis über den Tod hinaus
Dahlia de la Cerda erzählt in ihrem Debüt vom rauen Alltag von Frauen in Mexiko. Das Buch ist heftig, es macht die Repression deutlich.
„Was ist der Preis für Pussy?“, fragt sich die Frau auf Seite 74. Wie es wäre, „plötzlich einen gigantischen Hintern und dicke Titten zu haben“, stellt sich die auf Seite 103 vor. Die auf Seite 138 findet sich bereits „wunderschön […] und exotisch“, wie „eine Blume zwischen Agaven“ oder wie „Kleopatra im Ein-Euro-Laden“.
13 Frauen* gibt Dahlia de la Cerda in ihrem Debütwerk eine Stimme. Ihre „Reservoir Bitches“ eint nicht viel, außer das Land, in dem sie leben – und in dem einige gewaltvoll sterben. Rund zehn Frauen werden täglich(!) in Mexiko ermordet, jede Dritte davon aufgrund ihres Geschlechts. Damit ist Mexiko eines der Länder mit der [1][höchsten Rate an Femi(ni)ziden] in Lateinamerika.
De la Cerda greift diese grauenvolle Wirklichkeit auf. In 13 Kapiteln skizziert die 1985 in Aguascalientes geborene Autorin die unterschiedlichsten Lebensrealitäten: die einer zukünftigen Politikergattin, die der Tochter eines Narcochefs, die einer Afromexikanerin auf dem Weg Richtung US-Grenze, die einer sich prostituierenden trans Frau.
Verfolgt wird keine stringente Erzählung, einige Geschichten beziehen sich aufeinander, andere stehen für sich. Die Sprache de la Cerdas changiert dabei stets zwischen den Milieus, ist mal mehr mal weniger derb, was in der Übersetzung etwas hölzern wirkt. Dennoch transportiert sich das, was dieses Debüt so besonders macht und was ein Grund sein mag, warum es gleich auf der Longlist des diesjährigen Booker Prize gelandet ist: Die Frauen* behalten die [2][Macht über ihre eigenen Geschichten], erzählen sie gnadenlos, auch bis über den Tod hinaus.
Dass einem dabei übel werden kann, macht die Repression, die Frauen* in Mexiko, aber auch weltweit erleiden müssen, nur allzu deutlich – durch den Staat, kriminelle Strukturen, Religion. Alles in allem durch Männer.
Mit einem Tanga erwürgt
Auf Seite 9 meint eine Frau zu wissen, dass man „sich Petersilie in die Scheide stopfen“ soll, um abzutreiben, während die auf Seite 127 weiß, dass ihr Darm nach Tacos al Pastor schmeckt, die Leber nach frischem Blut und „die Bauchspeicheldrüse süßlich wie Säuglingsmilch“.
Mit einem Tanga erwürgt, weiß die Frau auf Seite 140, dass der Tod nicht glamourös ist, es in ihm „keine Pailletten“ gibt. Während die auf Seite 16 zu einer Erkenntnis kommt, mit der sich auch de la Cerdas Kurzgeschichtensammlung zusammenfassen lässt: „Alles, was krass anfängt, hört auch krass auf.“
29 Mar 2025
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