taz.de -- Tagebuch aus der Ukraine: Die Gegend der Affen

Unsere Autorin besucht gerne einen Hof mit exotischen Tieren. Ein Ehepaar kümmert sich hier um Vier- und Zweibeiner, die zurückgelassen wurden.
Bild: Dezember 2014: Ein Tiger in einem Zoo erlebt einen russischen Angriff auf die Ukraine

Odesa taz | Wie stellen Sie sich eine Gegend vor, in der Affen leben? Denken Sie da an einen riesigen Dschungel? Oder eher an einen Strand mit Palmen und Bananenbäumen? Doch wie wäre es mit den großen Akazien in [1][Odesa]? Und mit Affen, die auf schneebedeckten Feldern in der [2][Ukraine] herumspringen?

Nein, es waren nicht die Affen, die aus irgendwelchen Gründen ihren Lebensraum gewechselt und beschlossen haben, in den Süden der Ukraine zu ziehen. Es waren reiche Ukrainer:innen, die ein exotisches Tier zu Hause haben wollten, weil sie damit prahlen konnten.

Auf dem Flughafen von Odesa konnte man vor ein paar Jahren die wildesten Geschichten hören: von Flamingos, die eingewickelt in Klebeband in einem Koffer verstaut waren, bis hin zu Tigerbabys, die in einer Tragetasche transportiert wurden. All diese armen Tiere konnte man im Internet bestellen. Einige der Händler wurden rechtzeitig verhaftet, doch anderen gelang es, das Tier an einen reichen Besitzer zu verkaufen. Wie viele solcher Tiere es in der Ukraine gibt, ist nicht bekannt.

Mit dem Beginn der [3][großen Invasion in der Ukraine] begann für arme und für reiche Menschen die Flucht aus ihren Häusern, um dem Tod zu entgehen. Einige nahmen ihre Tiere mit, andere ließen sie zurück. Ausgesetzte Hunde und Katzen wurden von den Menschen, die blieben, aufgenommen, auch Tierheime gibt es noch. Aber niemand wusste, was mit Löwen, Schlangen und Affen geschehen sollte. Wie sollte man sie behandeln, womit sollte man sie füttern, wie sollte man für sie sorgen?

Ein Tierarztehepaar wird aktiv

In Odesa leben die Tierärzt:innen [4][Valentina und Leonid Stoyanovy]. Kurz nach der großen Invasion begann das Ehepaar, ausgesetzte exotische Tiere in seinem Haus aufzunehmen. Zu den ersten Tieren, die sie bekamen, gehörten drei Löwenbabys aus einem privaten Zoo in [5][Cherson]. Die Mutter dieser kleinen Löwen war gestorben, und die Jungen befanden sich in einem kritischen Zustand. Das Tierarztpaar fütterte sie alle drei Stunden, therapierte sie und brachte sie in einen Zoo in einem anderen Land.

Doch es wurden mehr und mehr exotische Tiere. Auf den Bäumen im Hof ließen sich Affen nieder. Alle waren aus Kriegsgebieten gerettet worden, einige waren in einem privaten Heimzoo ausgesetzt worden.

Valentina und Leonid berichten: „Die Hauptaufgabe dieser Affen war es, Menschen dadurch glücklich zu machen, indem sie Befehle befolgten, damit schöne Fotos entstehen konnten. Den Rest der Zeit verbrachten sie in einer Kiste, ohne irgendeine Chance, Gras zu berühren oder die Sonne zu sehen. Während der Evakuierung versuchten die Affen, die Sonnenstrahlen einzufangen, weil es sie glücklich machte. Es war furchtbar mitzubekommen, dass die Ursache für den schlechten Zustand der Tiere der Mensch war.“

Ich beobachtete lange einen Affen namens Fiti, der in den vielen Bäumen von Odesa herumsprang. Wenn ich den Hof des Tierzarztpaares besuche, habe ich Äpfel, Bananen und Beeren dabei. Auf Tiktok gehen die Videos viral, die zeigen, wie ein Affe Erdbeeren isst. Wir sehen dann: Das ist [6][Fiti], einer der vielen neuen Bewohner unserer Stadt Odesa.

[7][Tatjana Milimko] ist Chefredakteurin des ukrainischen Onlinenachrichtenportals [8][USI.online].

Aus dem Russischen: [9][Tigran Petrosyan]. Finanziert wird das Projekt von der [10][taz Panter Stiftung].

14 Mar 2025

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AUTOREN

Tatjana Milimko

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