taz.de -- Angriffe auf demokratische Politiker*innen: Wenn auf Taten Worte folgen
Einschüchterung, mit Gewalt Angst erzeugen, gehört zum Repertoire der AfD. Die Angriffe gehen alle an, denen Demokratie etwas bedeutet.
Mit einer Täter-Opfer-Umkehr reagierte die AfD auf den brutalen Angriff in Dresden gegen den SPD-Europaabgeordneten Matthias Ecke, während er Wahlplakate aufgehängt hat. Der Chef der AfD Sachsen, Jörg Urban, schrieb, er verurteile solche Taten, „allerdings muss sich die SPD fragen, inwieweit ihre ständige Hetze gegen politisch Andersdenkende zu solchen Eskalationen beiträgt“. Lesen könnte sich das Zitat auch durchaus als Legitimation für weitere Gewalt – bei der halbherzigen Distanzierung schwingt mit: „Selbst schuld, falsches Parteibuch.“
Die Reaktion zeigt unabhängig von den weitgehend noch unbekannten Hintergründen des Überfalls: Rechte wollen Gewalt, nehmen sie mindestens wohlwollend in Kauf. Sie zielen mit ihrer Demagogie darauf, ein Klima der Angst zu schaffen – einen [1][permanenten Zustand wütender Empörung]. Die rechte Gewalt richtet sich gegen alle, die nicht in das eigene Weltbild passen, und zielt auf weniger Widerspruch aus Angst an Orten, wo eine extrem rechte Hegemonie etabliert ist.
Eine neue Qualität ist die [2][Häufung, fast schon Normalität und Alltäglichkeit von Angriffen auf Wahlkämpfer*innen]: Erst am Donnerstagabend in Essen ist ein grüner Kommunalpolitiker angegriffen worden, die [3][grüne Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt] wurde am selben Tag in Brandenburg von rund 50 Menschen bedrängt, Meldungen zu Angriffen auf Wahlkampfhelfer*innen häufen sich. Bereits im Februar gab es einen Brandanschlag auf das Privathaus eines SPD-Politikers, der Demos gegen rechts organisierte.
Das Jahrzehnt des Aufstiegs der AfD und rechter Diskursverschiebungen geht nicht zufällig mit eskalierender rechter Alltagsgewalt, aber auch rechtem Terror einher. Der Mörder von Walter Lübcke lief auf AfD-Demos mit, eine AfD-Bundestagsabgeordnete sitzt wegen Umsturzplanungen in U-Haft und der rechtsextreme Hanau-Attentäter schaute am Vorabend seiner Tat offenbar Videos von [4][Höcke-Reden auf einer Pegida-Kundgebung].
Position beziehen!
AfD-Anhänger*innen zeigen Galgen auf Demos, Rechtsextreme machen bei montäglichen Protesten Hausbesuche – auch beim CDU-Landrat. Gegen diese gezielte Einschüchterungstaktik hilft nur Solidarität auch über die Parteigrenzen hinweg. So spendet [5][Campact] jetzt jeweils 10.000 Euro an die betroffenen Ortsverbände der SPD und der Grünen für neue Flyer und Wahlplakate und ruft zum Nachahmen auf.
Ebenso wäre es wichtig, dass die Parteien überlegen, wie sie ihre Wahlkämpfer*innen besser schützen können, vor allem dort, wo die rechte Hegemonie zurückgedrängt werden muss. Warum sollten nicht mitgliederstarke Ortsverbände beim Plakatieren helfen und diese so schon zahlenmäßig verstärken? Auch wichtig ist es natürlich, bei lokalen zivilgesellschaftlichen Organisationen nachzufragen, was sie brauchen und wie man sie unterstützen kann.
Denn die Angriffe von rechts gehen alle an – auch das Heraushalten ist eine politische Handlung. Um dagegen Stellung zu beziehen, muss man keine Plakate kleben. Es reicht, seine Meinung zu sagen und für seine politische Haltung einzustehen – auch und gerade im sozialen Nahbereich in der Kneipe, im Fußballverein und auf der Familienfeier.
5 May 2024
LINKS
AUTOREN
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
In einem Video schießt der hessische AfD-Abgeordnete Maximilian Müger mit einem Sturmgewehr in die Luft und fordert „freie Waffen für freie Bürger“.
Vor fünf Jahren wurde der Kasseler Regierungspräsident Walter Lübcke erschossen. Seine Familie appelliert, neuem Hass entgegenzutreten.
Vereinsvorsitzende und Bischöfe sollten Betroffenen rechter Gewalt Unterstützung anbieten, sagt Extremismusexperte David Begrich im Interview.
Ich muss an der Uni Chemnitz lesen – in der denkbar ungünstigsten Stadt für einen Osman. Werder Bremen gegen Bayern sehe ich in einer Fascho-Kneipe.
Die sächsische Polizei verzeichnet viele rechte Straftaten zu Himmelfahrt in Dresden, Zwickau und anderen Orten Sachsens.
Einer der vier Tatverdächtigen des Angriffs auf den SPD-Europapolitiker Matthias Ecke soll dem rechten Spektrum angehören. Das teilte das LKA am Montag mit.
Nach dem dem Angriff auf den SPD-Politiker Matthias Ecke machte eine Spontandemo in Dresden Hoffnung. Diese war leidenschaftlich wie selten.
Ein Jugendlicher bekennt sich zum Angriff auf den SPD-Politiker Ecke. Weitere Attacken werden bekannt. Am Sonntag finden Demos für Demokratie statt.
Plakatierer im Wahlkampf des demokratischen Spektrums in Sachsen werden wiederholt attackiert. Nun wurde Matthias Ecke, SPD-Spitzenkandidat für die Europawahl, verletzt.
Parteichef Nouripour beschwört den Zusammenhalt der demokratischen Parteien. Das Aggressionslevel nehme zu.