taz.de -- Parteiausschlussantrag gegen Wagenknecht: „Es braucht jetzt eine Klärung“

Die Bremer Fraktionschefin Sofia Leonidakis hat den Ausschluss von Sahra Wagenknecht beantragt. Mehr als 50 Linke stehen hinter der Forderung.
Bild: Ist in ihrer Nochpartei nicht mehr sehr beliebt: Sahra Wagenknecht

taz: Frau Leonidakis, Sie haben an diesem Montag einen Ausschlussantrag gegen Sahra Wagenknecht gestellt. Was hat Sie dazu bewegt?

Sofia Leonidakis: Wir glauben, dass die Zukunft ohne Sahra Wagenknecht jetzt beginnen muss. Das Verhalten von ihr ist in höchstem Maße parteischädigend für die Linke. Deswegen glauben wir, dass ein Ausschlussantrag jetzt die nötige Antwort darauf ist.

Was werfen Sie Wagenknecht konkret vor?

Es ist für niemanden mehr zu übersehen, dass Sahra Wagenknecht aus der Linken heraus die Gründung einer Konkurrenzpartei plant. Damit verbunden ist, dass sie sich wiederholt und fortgesetzt in einen [1][politischen Widerspruch zu den Grundwerten der Linken] begibt. Sie fordert zwar plakativ soziale Gerechtigkeit – aber mit Ausschlüssen. Wir wollen hingegen soziale Rechte, die für alle sind, denn sonst sind sie nicht sozial. Sie möchte eine restriktive Migrationspolitik. Wir stehen für eine solidarische Migrationspolitik gegen Abschottung und Entrechtung von Geflüchteten. Sie hat die Klimabewegung diffamiert. Wir stehen für Klimaschutz mit sozialem Ausgleich. Die politischen Positionen von Sahra Wagenknecht sind inzwischen mit denen der Linken unvereinbar geworden. Deswegen wollen wir jetzt die Trennung herbeiführen.

Wer steht hinter Ihrem Ausschlussantrag?

Eingereicht haben den Antrag 58 Mitglieder aus fast allen Landesverbänden unserer Partei. Darunter sind Kreis- und Landessprecher:innen, Bundesvorstandsmitglieder ebenso wie Abgeordnete aus diversen Kommunal- und Landesparlamenten sowie dem Bundestag. Sie repräsentieren die Breite der Partei. Die, die unseren Antrag begrüßen und richtig finden, sind übrigens noch sehr viel mehr.

Was erhoffen Sie sich von einem Ausschluss Wagenknechts?

Es braucht jetzt einfach eine Klärung. Der permanente öffentliche Widerspruch zu unseren Grundpositionen, das Vertreten von unsolidarischen Positionen aus der Linken heraus fügt der Linken massiven Schaden zu. Das haben wir auch gerade wieder bei den [2][Wahlkämpfen in Hessen und Bayern] erlebt. Das Profil der Linken ist dadurch unklar geworden. Die Wählerinnen und Wähler wissen nicht mehr, woran sie bei der Linken sind. Das ist für uns eine Katastrophe.

Warum wollen Sie Wagenknecht ausschließen lassen, wenn sie sich doch ohnehin [3][demnächst mit ihrer Gefolgschaft abspalten], also freiwillig gehen wird?

Das Szenario, dass sie den Zeitpunkt ihrer Abspaltung einfach selbst bestimmt und bis dahin aus der Linken heraus ihrer Nochpartei größtmöglichen Schaden zufügt, können wir nicht hinnehmen. Dagegen wollen wir mit unserem Ausschlussantrag vorgehen.

Aber müssen Sie nicht befürchten, dass über Ihren Antrag erst beraten wird, wenn Wagenknecht schon weg ist?

Das kann man nicht wissen. Die Pläne, ob und wann sie eine neue Partei gründet, sind ja immer noch nicht klar. Uns ist wichtig, jetzt ein klares Zeichen zu setzen.

Am Sonntag hat Ihre Partei verheerende Wahlniederlagen in Hessen und Bayern erlitten. Kommt da Ihr Antrag nicht vielleicht etwas zu spät?

Wir haben bewusst die Landtagswahlen in Bayern und Hessen abgewartet. Das war ein Akt der Solidarität mit unseren Wahlkämpfer:innen, die es auch so schon aufgrund der permanenten Querschüsse von Wagenknecht & Co. schwer genug hatten. Aber ja: Es ist höchste Zeit.

Glauben Sie, dass die Probleme der Linken gelöst sind, wenn Wagenknecht und ihre Gefolgschaft nicht mehr in der Partei sind?

Natürlich wären damit nicht alle unsere Probleme gelöst. Die Linke muss sich erneuern, um eine Perspektive zu haben. Aber dazu muss sie auch die Chance haben. Das hat sie solange nicht, solange von innen heraus versucht wird, sie zu zerstören. Deswegen muss die gegenwärtige Hängepartie beendet werden. Wir wollen eine Linke, die für soziale Gerechtigkeit und Solidarität steht, die die Rechte von Frauen und queeren Menschen gleichermaßen verteidigt, die sich für Klimaschutz, nachhaltiges Wirtschaften und Vergesellschaftung einsetzt. Es muss endlich aufhören, dass jene, die etwas anderes wollen, innerhalb der Linken das eine gegen das andere, die einen gegen die anderen ausspielen. Wer diese Überzeugung mit uns teilt, ist hingegen herzlich eingeladen, bei uns mitzumachen.

9 Oct 2023

LINKS

[1] /Wagenknecht-versus-AfD/!5949654
[2] /Bitterer-Wahlabend-fuer-die-Linkspartei/!5964432
[3] /Wagenknecht-versus-AfD/!5949654

AUTOREN

Pascal Beucker

TAGS

Die Linke
Linksfraktion
GNS
Parteiausschluss
Sahra Wagenknecht
BSW
IG
Sevim Dagdelen
Europawahl
Schwerpunkt AfD

ARTIKEL ZUM THEMA

Sahra Wagenknechts neue Partei: Links liegen gelassen

Am Montag will Wagenknecht ihren neuen Verein vorstellen. Sie hinterlässt eine Ruinenlandschaft, angesichts derer es schwerfällt, an einen Wiederaufbau zu glauben.

Sahra Wagenknechts eigene Partei: Gespalten an Rhein und Ruhr

Nordrhein-Westfalen gilt als Wagenknecht-Hochburg. Doch nur wenige glauben an eine Austrittswelle bei der Linken, sollte sie ihre Partei gründen.

Sahra Wagenkecht und die Linkspartei: Kurz vor dem Absprung

Sahra Wagenknecht hat die Linkspartei abgeschrieben und plant die Gründung einer neuen Partei. Fragen und Antworten zu einem Trennungsprozess.

Wagenknecht versus AfD: Verachtung des Proletariats

Eine Wagenknecht-Partei könnte die AfD schwächen und „Die Linke“ wieder aufblühen lassen. So zumindest hoffen das manche. Ist das realistisch?