taz.de -- Faesers Pläne gegen sogenannte Clans: Verurteilung nicht erforderlich
Innenministerin Faeser will die Ausweisung sogenannter Clan-Krimineller erleichtern. Anders als Medien berichten, genügt Verwandtschaft dafür nicht.
Berlin taz | Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) will die kriminellen Angehörigen sogenannter Clans auch ohne strafrechtliche Verurteilung ausweisen. Dies ergibt sich aus dem „Diskussionsentwurf für ein Gesetz zur Verbesserung der Rückführung“, [1][den die Ministerin vorige Woche veröffentlichte].
Manche Medien verstanden den Passus so, als ob nun Mitglieder „kollektiv abgeschoben“ werden sollen, „auch wenn sie individuell keine Straftaten begangen haben. Die Süddeutsche Zeitung hatte mit ihrem Bericht diese Deutung nahegelegt, „So könnten womöglich auch entfernte Familienmitglieder, die mit Kriminellen lediglich den – arabischen – Nachnamen gemeinsam haben, pauschal in Mithaftung genommen werden“, hieß es dort.
Tatsächlich geht es im fraglichen Passus des Diskussionsentwurf um eine Änderung von Paragraf 54 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes. Dort sind Gründe genannt, die für ein „besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse“ des Staates sprechen. Unter Nr. 2 geht es konkret schon bisher um die Gefährdung der „freiheitlich demokratischen Grundordnung“ und Gefährdung der Sicherheit der Bundesrepublik.
Hier soll als neuer Unterfall – neben Terror-Verbindungen – aufgenommen werden, dass jemand einer kriminellen Vereinigung „angehört oder angehört hat“. Von „[2][Clans]“ ist im vorgeschlagenen Gesetzeswortlaut nicht die Rede, sondern es geht um alle „Vereinigungen im Sinne des § 129 des Strafgesetzbuches“. Das Verb „angehören“ bezieht sich hier also nicht auf eine Verwandtschaft, erst recht nicht auf eine bloße Namens-Verwandtschaft.
Beweisanforderungen abgesenkt
Die Erleichterung, die Faeser vorschlägt, bezieht sich darauf, dass keine rechtskräftige strafrechtliche Verurteilung wegen der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung abgewartet werden muss. Es soll vielmehr bereits genügen, dass die Polizei annimmt, jemand gehöre der Organisierten Kriminalität an, was eine Straftat ist. Abgesenkt werden dafür die Beweisanforderungen und die rechtsstaatlichen Sicherungen.
Die Maßnahme soll aber auch nach Faesers Vorschlag nicht ohne justizielle Kontrolle erfolgen. Denn gegen eine Ausweisung können die Betroffenen natürlich eine Klage beim Verwaltungsgericht erheben. Und wenn die Indizien für die Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung zu gering sind, dürfte eine Klage auch Erfolg haben.
Wichtig ist in diesem Zusammenhang auch der Unterschied zwischen Ausweisung und Abschiebung. Bei der Ausweisung wird einer Ausländer:in ein bestehendes Aufenthaltsrecht entzogen, zum Beispiel weil sie Straftaten begangen hat. Die Abschiebung ist dann die konkrete Verbringung einer ausreisepflichtigen Ausländer:in in ein anderes Land. Selbst wenn eine Ausweisung rechtskräftig wird, heißt das aber nicht, dass eine Abschiebung möglich ist. Denn oft gibt es keinen Staat, der zur Aufnahme bereit ist.
7 Aug 2023
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