taz.de -- Neue schwedische Mitte-rechts-Regierung: Kein orbanesker Regimewechsel

Kristersson braucht die Rückendeckung der Rechtspopulisten. Was er er ihnen im Gegenzug anzubieten hat, steht auf einem anderen Blatt.
Bild: Auf dem Weg zur neuen schwedischen Regierung: der konservative Ulf Kristersson

Nein, sie werden nicht Teil der neuen, antisozialdemokratischen Regierung in Schweden: Die rechten „Schwedendemokraten“ müssen draußen bleiben. Sonst hätten die Liberalen den Regierungsblock umgehend verlassen – und ohne sie würde es dem konservativen Ulf Kristersson gar nicht gelingen, diesen Montag zum Nachfolger der Sozialdemokratin Magdalena Andersson gewählt zu werden.

Doch von den Rechtspopulisten hängt ab, ob die neue konservativ-liberale Koalition überhaupt fähig zu Regierungsgeschäften ist: Sie werden, so ist die Zusage, dulden, um nicht wieder die von ihnen verhassten Linken (plus Ökos) ans Ruder zu lassen. Ob Kristersson sein politisches Spiel, die „[1][Schwedendemokraten]“ ein bisschen ins Gehege der bürgerlichen Anständigkeit – und sei es über die Tolerierungsbereitschaft – zu lassen, tragfähig hält, hängt am Regierungsprogramm selbst.

Und da zeichnen sich schon jetzt heftige Konflikte ab. Kristerssons Konservative würden gern das ohnehin nicht mehr so dicht gewebte sozialstaatliche Gefüge weiter abbauen, aber die in sozialdemokratischen Wählermilieus fischenden, ausländerfeindlichen Populisten, immerhin seit den Wahlen zweitstärkste Partei noch vor den Konservativen, werden dies nicht mittragen.

Jetzt von [2][Rechtsruck] zu sprechen, ist insofern viel zu früh. Schwedens neue Regierung würde am liebsten Sozialstandards abbauen und dafür umso heftiger bürgerliche Elitenförderung betreiben: Aber an den „Schwedendemokraten“, in der politischen Artikulation unappetitlich und für schwedische Verhältnisse ausgesprochen hetzerisch gegen Einwanderer und Flüchtlinge, liegt dies nicht. Diese können nur so viel Einfluss haben, wie die Konservativen und ihre antilinken Alliierten es zulassen.

Der Mandatsvorsprung im Stockholmer Parlament ist faktisch zu gering, als dass Kristersson und die Seinen einen [3][orbanesk] anmutenden Regimewechsel in Gang setzen könnten. Rechtspopulistische Teilhabe an der Regierung kann im Übrigen auch wieder abgewählt werden – in Dänemark, Finnland und Norwegen war dies der Fall.

17 Oct 2022

LINKS

[1] /Politikwissenschaftlerin-ueber-Wahlen-in-Schweden/!5881905
[2] /Wahlergebnisse-in-Schweden/!5881812
[3] /Viktor-Orban/!t5010201

AUTOREN

Jan Feddersen

TAGS

Schweden
Schwedendemokraten
Ulf Kristersson
Rechtspopulismus
Schweden
Schweden
Schweden
Viktor Orbán
Schweden
Schweden
Viktor Orbán
Peter Handke
Schweden

ARTIKEL ZUM THEMA

Sozialdemokraten in Schweden: Ärger um Partei-Glücksspiel

Ein handfester Skandal um Losverkäufe erschüttert die schwedischen Sozialdemokraten. Parteichefin Magdalena Andersson muss sich erklären.

Schwedens Kehrtwende bei Atomenergie: Nichts als Augenwischerei

Die Ankündigung von Schwedens Regierung, neue AKWs zu bauen, muss man nicht ernst nehmen. Aktuell findet sich niemand, der ein Interesse daran hätte.

Nato-Beitritt von Schweden: Stockholms Wahlhilfe für Erdoğan

Der schwedische Regierungschef reist nach Ankara. Dort will er mit einer Kehrtwende in der Kurdenpolitik die Blockade zum Nato-Beitritt lösen.

Demonstrationen in Ungarn: Orbán immer unglaubwürdiger

Die Proteste in Budapest richten sich nicht nur gegen die äußerlich maroden Zustände im Bildungssystem. Orbáns Propaganda kommt immer weniger an.

Rechte Regierung in Schweden: Kein eigenes Umweltministerium

Ulf Kristerssons neue Regierung grenzt sich deutlich von ihrer Vorgängerin ab. Sie hat das Umweltministerium in das für Wirtschaft eingegliedert.

Schwedens feministische Außenpolitik: Nein heißt tatsächlich Nein

Schwedens rechtsbürgerliche Regierung kippt die feministische Außenpolitik. Wird etwas nicht mehr benannt, verschwindet es auch in der Realität.

EU-Sanktionen gegen Ungarn: Orbán den Geldhahn abdrehen

Die EU-Kommission geht nach der Wahl in Ungarn wegen Rechtsstaatsverstößen doch noch gegen Budapest vor. Das könnte massive Mittelkürzungen bedeuten.

Verleihung des Literaturnobelpreises: Ohne Schwedendemokraten

Die rechtspopulistischen Schwedendemokraten werden nicht zur Verleihung des Nobelpreises eingeladen. Nicht zum ersten Mal.

Schweden weiter ohne Regierung: Kristersson verliert Abstimmung

Seit zwei Monaten versuchen die Parteien in Schweden, eine Regierung zu bilden. Doch eine Mehrheit im Parlament ist nicht in Sicht.