taz.de -- Schwedens feministische Außenpolitik: Nein heißt tatsächlich Nein

Schwedens rechtsbürgerliche Regierung kippt die feministische Außenpolitik. Wird etwas nicht mehr benannt, verschwindet es auch in der Realität.
Bild: Regierungswechsel in Schweden im Königspalast am 18.Oktober 2022

Schweden, jenes Land, das 2014 die Welt damit überraschte, künftig eine feministische Außenpolitik betreiben zu wollen, streicht diesen Anspruch jetzt von seiner politischen Agenda. Tobias Billström, Außenminister der [1][neuen Regierung aus Christdemokraten, Liberalen und Moderaten], versichert zwar, dass die „Gleichstellung der Geschlechter ein grundlegender Wert in Schweden“ sei und daher ein „grundlegender Wert für diese Regierung“.

Der Vorgang ist bemerkenswert. Als eines der ersten Vorhaben überhaupt kippt die neue rechtsbürgerliche Regierung ein dezidiert linkes Projekt, [2][das ihrerzeit die Sozialdemokratin Margot Wallström installiert hatte]. Und nun erfolgt das Ende eines Politikansatzes, der in Kriegszeiten stärker denn je Beachtung finden sollte. Das ist ganz sicher im Sinne [3][der rechtspopulistischen Schwedendemokraten], die die Minderheitskoalition in Stockholm unterstützen.

Nun könnte man sagen: So wichtig ist der Begriff „feministische Außenpolitik“ nicht, solange [4][dieser Politikansatz] erhalten bleibt. Ohnehin können ihn die wenigsten Menschen erklären. Auch in Deutschland, das sich mit der Grünen Annalena Baerbock ebenfalls einer feministischen Außenpolitik verschrieben hat, haben einer Umfrage der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik und der Körber-Stiftung [5][zufolge 60 Prozent der Menschen die Bezeichnung noch nie gehört]. Warum also viel Kraft in etwas investieren, das verbal nur marginal wirkt?

Ein Anti-Framing

Ganz einfach: Weil etwas in der Realität verschwindet, wenn es nicht konkret benannt wird und damit ins Bewusstsein der Menschen rückt. Das ist, wenn man so will, das Anti-Framing. Im Gegensatz zum Framing, bei dem Gedankenprozesse durch Erzählmuster und Narrative bewusst gesteuert werden, wird durch das Weglassen einer Definition auch der dahinterstehende Inhalt gekillt.

Vermutlich ist genau das der Plan der rechtsbürgerlichen Regierung. Es ist zu befürchten, dass er durch die geschickte Kommunikation aufgeht. In diesem Fall heißt Nein zum Begriff tatsächlich Nein zum Konzept.

19 Oct 2022

LINKS

[1] /Neue-schwedische-Mitte-rechts-Regierung/!5885748
[2] /Feministische-Aussenpolitik-in-Schweden/!5530518
[3] /Ministerpraesident-in-Schweden-gewaehlt/!5888405
[4] /Feministische-Aussenpolitik/!5841276
[5] /Feministische-Aussenpolitik/!5888225

AUTOREN

Simone Schmollack

TAGS

Schweden
Schwedendemokraten
Nein heißt Nein
Feminismus
GNS
Johann Wadephul
Annalena Baerbock
Schwerpunkt Atomkraft
Schweden
Schweden
Schweden
Außenpolitik

ARTIKEL ZUM THEMA

Feministische Außenpolitik: Kein Abriss ohne Gutachten

Die feministische Außenpolitik ist so nötig wie polarisierend. Jetzt, unter einem CDU-Minister, wird sie zurückgefahren. Zeit für ein Resümee.

Baerbock präsentiert neue Leitlinien: Feminismuscheck im Auswärtigen Amt

Zwei Drittel des Gesamtetats sollen „gendersensibel“ ausgegeben werden, Mitarbeitende einen „feministischen Reflex“ ausbilden. Frauen sollen zudem mehr in Friedensverhandlungen involviert sein.

Pläne des baldigen Staatskonzerns: Uniper plant AKW in Schweden

Eine Tochter des baldigen deutschen Staatskonzerns kündigt den Bau eines neuen Meilers an. Die blau-braune Regierung in Stockholm ist begeistert.

Rechte Regierung in Schweden: Kein eigenes Umweltministerium

Ulf Kristerssons neue Regierung grenzt sich deutlich von ihrer Vorgängerin ab. Sie hat das Umweltministerium in das für Wirtschaft eingegliedert.

Ministerpräsident in Schweden gewählt: Die Rechtsregierung steht

Zusammen mit den rechtsextremen Schwedendemokraten regiert nun Ulf Kristersson. Das Parlament hat bereits über das Regierungsprogramm debattiert.

Neue schwedische Mitte-rechts-Regierung: Kein orbanesker Regimewechsel

Kristersson braucht die Rückendeckung der Rechtspopulisten. Was er er ihnen im Gegenzug anzubieten hat, steht auf einem anderen Blatt.

Feministische Außenpolitik: Baerbock versteht man nicht

Die meisten Leute in Deutschland wissen nicht, was feministische Außenpolitik bedeutet. Die Außenministerin sollte den Begriff erklären können.