taz.de -- Sanktionen gegen russische Sportler: Rasen ohne Russ:innen
In Wimbledon dürfen keine russischen Profis um die Titel spielen. Nach Druck aus der Politik haben die Veranstalter einen Bann ausgesprochen.
Berlin taz | Es war der 25. Februar dieses Jahres. Am Tag zuvor hatte Russland die Ukraine überfallen. Der russische Tennisspieler Andrei Rubljow schritt nach seinem Sieg im Halbfinale des Turniers von Dubai zu der Kameralinse, auf welche die Gewinner nach ihren Spielen für gewöhnlich mit einem Filzstift ihre Unterschrift setzen. „No war, please“, schrieb er statt seines Namens und weckte Hoffnungen darauf, dass sich die Tennisstars aus Russland oder Belarus als Kritiker des brutalen Kriegs gegen die Ukraine positionieren könnten. Doch es passierte nichts mehr in dieser Richtung.
Der Turnierbetrieb lief weiter. Zwar schloss der internationale Tennisverband Russland und Belarus von allen Teamwettbewerben aus, doch die Profis durften weiterspielen. Allein die Landesfarben verschwanden hinter ihren Namen auf den Anzeigetafeln. Nun haben die Organisatoren des Grand-Slam-Turniers von Wimbledon übereinstimmenden Medienberichten zufolge beschlossen, im Juni keine russischen Profis auf die ehrwürdige Anlage des All England Lawn Tennis and Crocket Clubs zu lassen.
Eine Reihe der besten Tennisprofis der Welt ist davon betroffen. Allen voran [1][Danil Medwedew], der ausgerechnet zu Kriegsbeginn für eine kurze Zeit auf Platz eins der Weltrangliste stand. Als er Anfang März die russische Trikolore aus seinem Instagram-Profil entfernt hat, sahen nicht wenige das als ein Zeichen seiner Distanzierung vom kriegerischen Auftreten seines Heimatlandes. War es das wirklich? Medwedew ließ alle Anfragen in dieser Richtung unbeantwortet.
Im Vereinigten Königreich stieg derweil der politische Druck auf die Ausrichter des Turniers in Wimbledon. Der britische Sportminister Nigel Huddleston forderte, nur solche Spieler aus Russland und Belarus zum Turnier zuzulassen, die sich eindeutig gegen den Krieg positionieren. Es brauche eine Art Versicherung, dass sie nicht zu den Unterstützern des russischen Staatspräsidenten Wladimir Putin gehören, so Huddleston. Nun haben sich die Veranstalter gegen einen derartigen Bekenntniszwang ausgesprochen, der die Angehörigen der Profis in ihren Heimatländern gefährden könnte. Es soll nun also einen pauschalen Bann aller Profis aus Russland geben.
Offizielle Entscheidung Mitte Mai
Auch Profis aus Belarus werden von Wimbledon ausgeschlossen. Das haben die Organisatoren am Mittwoch in einem Statement klargestellt. Das betrifft unter anderem Aryna Sabalenka, die im Ranking stabil hinter den besten drei Tennisspielerinnen der Welt steht. Auch die ehemalige Nummer eins im Frauentennis, Viktoria Asaranka, ist raus.
Für Tennisspieler aus der Ukraine ist dieser Bann gewiss eine Genugtuung. Der ehemalige Profi Alexandr Dolgopolow, der mal auf Platz 13 der Weltrangliste stand, hat schon vor einem Monat den Ausschluss aller russischen Spieler gefordert. „Die Fahne zu entfernen, ändert doch gar nichts“, sagte er der BBC. Dolgopolow spielt kein Turniertennis mehr. Er hat sich kämpfenden Einheiten der Landesverteidigung angeschlossen.
Derweil sind die Tennisspielerinnen der Ukraine unterwegs. Am Wochenende spielten Dajana Jastremska, Katarina Sawazka und Ljudmila Kitschenok in Asheville, North Carolina, gegen die USA um den Einzug ins Finalturnier des Billie-Jean-King-Cups. Die Begegnung wurde zu einem wahren Solidaritätsevent, bei dem mehr als 250.000 US-Dollar Spendengelder für die Ukraine-Hilfe eingesammelt worden sind. Dass die USA mit 3:2 gewonnen haben, war da fast schon Nebensache.
Dass [2][Spiele zwischen ukrainischen und russischen Profis] zu emotionalen Drahtseilakten werden können, das machte Anfang März eine Partie der ukrainischen Nummer eins, Elina Switolina, gegen Anastasia Potapowa beim Turnier in Monterrey deutlich. Nach dem klaren Sieg gegen die Russin sagte sie: „Ich war auf einer Mission für mein Land.“
Die deutsche Meisterin Eva Lys wird den Wimbledon-Bann gutheißen. Die Nachwuchsspielerin, die sich überraschend für das Hauptfeld des [3][WTA-Turniers in Stuttgart] in dieser Woche qualifiziert hat, ist im Alter von zwei Jahren aus der Ukraine nach Deutschland gekommen. Sie hat sich nach einem Turnier im kasachischen Nur-Sultan über das Verhalten russischer Spielerinnen beklagt. Die seien respektlos und trügen ostentativ Trainingsanzüge in den russischen Farben. In Wimbledon wird man solche nicht zu sehen bekommen.
20 Apr 2022
LINKS
AUTOREN
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
Für alle gleich geltende Regeln im Weltsport sind eine Illusion. Der politische Westen gibt den Ton an – und die, die das Geld geben.
Verweigerte Handschläge und merkwürdig formulierte Botschaften. Krisen und Kriege haben auch die French Open in Paris erreicht.
Russland verkündet, dass es für die Olympischen Spiele 2024 plant. Ohne sie seien die Spiele „minderwertig“. Die Ukraine droht mit Boykott.
Eine Moskauerin, die für Kasachastan spielt, gewinnt das Turnier in Wimbledon. Als Russin hätte sie nicht antreten dürfen.
Russland darf nicht zur Frauenfußball-EM. Der Verband schielt nach Asien, die besten Spielerinnen orientieren sich jedoch lieber gen Westen.
In der kommenden Woche beginnt in Israel die Makkabiade. Aber ohne russischen Athleten. Das Land hat sich angeblich selbst abgemeldet.
Als zweifache Mutter schlägt sich Tatjana Maria im Tenniszirkus durch, gerade etwa in Wimbledon. Doch sie wünscht sich mehr Unterstützung.
Die Sportgymnastinnen Russlands gehören zu den Säulen des Systems. Auch Wladimir Putins Freundin hat früher mit Reifen und Keulen geturnt.
Helsinkis Eishockey löst sich von seinen Investoren aus Russland. Die größte Eishalle des Landes bleibt ungenutzt. Auch sie gehört Russen.
In der Ukraine machen Fotos von kriegstüchtigen Sportlern die Runde. Nun werden ganz andere Heldengeschichten geschrieben.
Dem russischen Tennisprofi Daniil Medwedew gelingt beim Gewinn der ATP Finals in London ein Kunststück: Er schlägt die drei besten Spieler der Welt.