taz.de -- R2G-Klimapaket: Nur ein Klimapäckchen
Das am Dienstag vom rot-rot-grünen Berliner Senat beschlossene Klimapaket enthält viel heiße Luft. Das hilft dem Klima bloß in beschränktem Maße.
Heiße Luft ist schädlich für das Klima: Die Erde erwärmt sich, der Meeresspiegel steigt, die Pole schmelzen ab. Darum gibt es ja auch das Ziel der Pariser Klimakonferenz, den Anstieg der Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen. Das am Dienstag vom rot-rot-grünen Senat beschlossene Klimapaket enthält zwar nur im übertragenen Sinne zu viel von dieser heißen Luft, hilft dem Klima damit aber auch bloß in beschränktem Maße, weshalb sich die Einstufung als Klimapäckchen durchaus aufdrängt.
Ja, sicher, die Busse alle auf Elektrostrom umzustellen hilft weiter, genauso, den öffentlichen Nahverkehr auszubauen oder Solaranlagen für Neubauten vorzuschreiben. Und so hat der grüne Umweltpolitiker Georg Kössler durchaus recht, wenn er sagt: „Wir schwingen nicht nur Sonntagsreden, sondern machen Klimaschutz ganz konkret für die Menschen.“ Aber eben noch nicht konkret genug
Denn nicht bloß heiß, sondern dünn wird die Luft im wichtigsten aller Punkte: beim Geld. Was die inzwischen berühmt-berüchtigte dritte Finanzierungssäule für die teure Verkehrswende sein soll – neben Fahrscheinerlösen und dem jährlichen Zuschuss aus dem Landeshaushalt, also Steuergeld –, lässt das vermeintliche Paket offen. Eine City-Maut? Ein BVG-Zwangsticket? Beides lehnt die SPD so sehr ab, wie die Grünen ihrerseits das auf SPD-Seite vor allem von Regierungschef Michael Müller geforderte 365-Euro-Ticket blockierten, das den Preis der jetzigen Jahreskarte knapp halbieren würde.
Es scheint leider das alte Spiel zu sein, im Kindergarten wie in der Politik: Bekomme ich meins nicht durchgesetzt, dann kriegst du deins auch nicht. So ist es sehr bedauerlich, dass statt der konkreten Jahreszahl 2030 für die autofreie – konkret: verbrennungsmotorfreie – Innenstadt bloß ein unverbindliches „mittelfristig“ im Text steckt. Es hätte einen gesunden Druck auf die Zuständigen erzeugt, wenn sie sich zu einem festgelegten Datum hätten messen lassen müssen. Außerdem hilft es, bei der Planung zu wissen, bis wann was funktionieren muss, von Ladestationen für E-Autos bis hin zu vielen weiteren Bussen in den Außenbezirken.
Es liegt letztlich am Wahlkampf, dem doppelten für Abgeordnetenhaus und Bundestagswahl, der sichtlich keine Atmosphäre für ein Aufeinander-Zugehen schafft: Jeder und jede befürchtet, als zu nachgiebig gegenüber den Interessen der politischen Konkurrenz dazustehen.
Das hilft dem Klima nicht weiter und auch nicht der Idee, die Umstellung auf einen weniger belastenden Verkehr so sozial wie möglich zu gestalten. Im Grunde kann man bloß die Tage zählen bis zur Wahl – ab Montag noch 105 – und auf eine schnelle neue Koalitionsbildung hoffen. Das künftige Regierungsbündnis, selbst wenn in gleicher Farbzusammenstellung, ist dann vielleicht von mehr Miteinander und passenderweise besserem Klima geprägt, als es die letzten Wochen und Monate des jetzigen sind.
12 Jun 2021
AUTOREN
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
Das Thema Ernährung wurde beim Klimaschutz in Berlin bislang sträflich vernachlässigt. Der neue Senat muss das endlich ändern.
Die Angst in deutschen Landen vor dem Kommunismus überwiegt bisweilen die Sorge vor der Klimakrise. Dennoch sollte Scholz R2G vorerst nicht absagen.
Welche wäre die beste Regierungskoalition für den Klimaschutz? taz-LeserInnen schreiben über ihre Wunschkoalitionen zur Klimawahl.
Der Kanzlerkandidat der Union hat das Schreckgespenst R2G aus dem Tiefschlaf geholt. Wer es sich genau ansieht, findet es gar nicht so bedrohlich.
Dass Maßnahmen gegen die Erderwärmung Stellen kosten, ist ein Märchen. Tatsächlich schaffen erneuerbare Energien neue Arbeitsmöglichkeiten.
Immer mehr Menschen kapieren, dass Klimaschutz nicht mit Wachstum einhergeht. Aber nur wenige sind bereit, die Konsequenzen einzufordern.
Für viele Klimaaktivist*innen ist ziviler Ungehorsam notwendig, ihre Kriminalisierung nehmen sie in Kauf. Die Geschichte könnte ihnen Recht geben.
Ein „Klima-Bürger*innenrat“ soll Vorschläge für mehr Klimaschutz machen – und für mehr Akzeptanz von Änderungen sorgen. Die Opposition lehnt das ab.
Schneller weg mit dem CO2: Der Senat beschließt den Entwurf des überarbeiteten Energiewendegesetzes mit verschärften Klimazielen.