taz.de -- Laschets Warnungen vor Rot-Rot-Grün: Willkommene Gefahr
Der Kanzlerkandidat der Union hat das Schreckgespenst R2G aus dem Tiefschlaf geholt. Wer es sich genau ansieht, findet es gar nicht so bedrohlich.
Endlich spricht mal wieder jemand über Rot-Rot-Grün! Es ist nicht die SPD, nicht die Linke und schon gar nicht die Grünen. Sondern CDU-Chef und [1][Spitzenkandidat Armin Laschet] höchstselbst. Dass er solch ein Bündnis als Gefahr für Deutschland bezeichnet, das Wohlstand verspielen würde, kann [2][R2G]-Fans nur freuen. Gefahren sollte man nämlich ernst nehmen, zumal wenn eine seriöse Quelle, wie ein amtierender Ministerpräsident, davor warnt.
In den vergangenen Wochen hat kaum noch jemand offen über ein solches Bündnis nachgedacht. Die [3][Grünen] schielten unverhohlen zur Union, [4][SPD] und [5][Linke] waren mit sich selbst beschäftigt. Rot-Rot-Grün schien schon ins Archiv verflossener Ideen einsortiert. Stattdessen gingen viele Beobachter:innen davon aus, dass es sowieso auf eine Koalition zwischen Union und Grünen und möglicherweise der FDP hinausliefe.
Egal, wie man zu einem rot-rot-grünen Bündnis steht, es ist wohltuend, dass dieser Fatalismus über den vermeintlich feststehenden Ausgang der Wahl nun aufbricht. Die Sozialdemokraten mit [6][Kanzlerkandidat Olaf Scholz] haben sich mit hanseatischem Stoizismus an die Union herangepirscht, beide liegen in einer aktuellen Umfrage gleichauf. Die Union und die Grünen schwächeln. Diese Entwicklungen machen Annahmen über mögliche Koalitionen unsicher und die Lage spannend.
Wähler:innen, die meinen, ihre Stimme bewirke sowieso nichts, können nun mobilisiert werden, denn wenige Stimmen könnten über den Wahlausgang entscheiden. Vielleicht wird diese Bundestagswahl tatsächlich zu einer Richtungswahl, in der die Bürger:innen zwischen einem mitte-linken und einem bürgerlich-konservativen Lager entscheiden. In der Abwägung lohnt es sich, nicht nur auf Warnungen zu hören, sondern selbst in den Wahlprogrammen zu stöbern:
Einen höheren [7][Mindestlohn] für Geringverdienende, eine [8][Vermögensteuer] für Reiche, ein [9][Tempolimit] für Raser:innen – das wären Gefahren, die mit Rot-Rot-Grün drohten. Gefahren, mit denen viele Menschen gut leben könnten.
22 Aug 2021
LINKS
AUTOREN
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
Erstmals haben sich Abgeordnete von SPD, Linken und Grünen im Wahlkampf getroffen. Signal: Mitte-Links ist nicht unmöglich.
Die Angst in deutschen Landen vor dem Kommunismus überwiegt bisweilen die Sorge vor der Klimakrise. Dennoch sollte Scholz R2G vorerst nicht absagen.
Die SPD ist plötzlich in einem Umfragehoch und versucht, bescheiden zu wirken. Das irritiert die Union, sie will „den Linksruck der SPD“ angreifen.
Mit ihrem neuen Wahlspot haben die Grünen ihren Gegner:innen eine überraschende Vorlage hingelegt. Unsere Autorin hat den Song frei interpretiert.
Eigentlich haben Grüne, SPD und Linke viel gemeinsam. Trotzdem scheint ein Mitte-links-Bündnis nach der Bundestagswahl unrealistisch. Woran liegt das?
Das am Dienstag vom rot-rot-grünen Berliner Senat beschlossene Klimapaket enthält viel heiße Luft. Das hilft dem Klima bloß in beschränktem Maße.
Bei veränderten Machtverhältnissen im Abgeordnetenhaus nach der Wahl in genau vier Monaten hätte das aktuelle Koalitionskürzel R2G ausgedient.
Rot-Rot-Grün will mehr Transparenz: Schriftliche Einflussnahmen auf ein Gesetz soll künftig veröffentlicht werden. Lobbycontrol fehlen Sanktionen.
Die Absage der Osterruhe erwischte die Landespolitik kalt. Eine geplantes Resümee von mehr als vier Jahren Rot-Rot-Grün fiel aus Pietätsgründen aus.