taz.de -- Neue Projektraum-Ausstellung in Berlin: In Comic-Kontakt mit Yirui Jia

Im Schaufenster des Kunstverein WerkStadt in Neukölln wohnen derzeit Skulpturen von Yirui Jia: Figuren aus Alltagsmaterial mit großer Persönlichkeit.
Bild: Yirui Jia, „Transplant (Self portrait)“, zu sehen im WerKStadt Projektraum

Sie tragen Handtäschchen und karierte Halstücher, Badekappen auf dem Kopf und Trompeten unterm Kinn. Und sind dabei herrlich amorph. Yirui Jias Figuren haben derartig Persönlichkeit, dass man sie direkt mit Haustieren verwechseln könnte, und zwar mit solchen denen man auf Augenhöhe begegnet.

Besonders gut geht diese transhumane Kontaktknüpfung derzeit in der Ausstellung „Furrytale“, zu der der Neuköllner Kunstverein [1][WerkStadt] die Künstlerin für Nummer 7 der Reihe „Simulacrum“ in seinen Projektraum eingeladen hat. Besser gesagt in die Schaufenster.

Das Glas tut der Begegnung keinen Abbruch, vielmehr verstärkt es den Impuls, mit den Wesen zu kommunizieren und sei es nur, indem man sie in imaginäre Comic-Plots verwickelt. Ein Genre, das sich auch auf Yirui Jias Gemälden in starken Farben andeutet, die von ebenso lebhaften, wie ulkigen Wesen bewohnt sind. Ein Besuch auf der Instagram-Seite der Künstlerin ([2][yirui_jia]) lohnt sich.

Wie dieser zweidimensionalen Welt entsprungen wirken ihre Skulpturen. Das Schmunzeln beim betiteln des edelstahlschwammartigen Exemplars „Transplant (self portrait)“ sieht man der Figur dann auch förmlich an. Ein Bein ist merklich dünner, das weite blaue Hemd ist hinter den Teddy geklemmt, den sie auf der Brust vor sich her trägt. Flauschige und hölzerne Fortsätze ragen aus der Figur. Ersatzärmchen, die sie dem Gegenüber entgegenstreckt und doch für sich behält.

Alltag vor dem Fenster

Die Gestalt names „It Girl“ wiederum, die im Fenster zur Ilsestraße ihren Hals empor reckt, schaut einen aus ihren grünen Gurkenaugen an. Ohne mit der Wimper zu zucken, breitet sie die leeren Hemdsärmel aus und nimmt ihren Platz auf dem Sockel ein. Sie sitzt einfach. Mit Duschhaube auf dem Kopf. Und schaut. Wie eine Katze, die stundenlang aus dem Fenster gucken kann, ohne dass ihr langweilig wird.

Für ihre Skulpturen arbeitet die Künstlerin mit Alltagsgegenständen und gefundene Materialien wie Socken, Hemden, Fasern, Draht oder Sperrholz. Ebenso spontan und souverän reagiert sie auch auf den Ausstellungsort Schaufenster. Als „kleine räumliche Kabinette und Rahmen“ nutzt sie den Zwischenraum vor dem Glas, wie Jule Böttner im Text zur Ausstellung ganz trefflich schreibt. Man könnte auch sagen, wie Panels in einem Comic.

8 May 2021

LINKS

[1] https://werkstadt.berlin/yirui-jia
[2] https://www.instagram.com/yirui_jia

AUTOREN

Noemi Molitor

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