taz.de -- Krieg in Äthiopien: Vorrücken auf Tigrays Hauptstadt

Die Armee der äthiopischen Zentralregierung nimmt Gebiete ein, Tausende fliehen. In der Regionalhauptstadt Mekelle nehmen Versorgungsengpässe zu.
Bild: Soldaten auf dem Weg in die Region Tigray im Norden Äthiopiens

Berlin taz | Die Situation in der zwischen Zentral- und Regionalregierung [1][umkämpften Region Tigray] im Norden Äthiopiens wird immer dramatischer. Nach wie vor lassen sich die Angaben beider Seiten über die militärische Lage nicht überprüfen, aber offenbar hat Äthiopiens Armee größere Gebiete erobert und bewegt sich auf die Hauptstadt Mekelle zu, die aber in einem kaum einnehmbaren Bergmassiv liegt.

Bis Mittwochabend sind 36.000 Menschen aus Tigray nach Sudan geflohen, täglich kamen zuletzt durchschnittlich 4.000 dazu. Eine unbekannte Anzahl von Menschen ist innerhalb der äthiopischen Grenzen auf der Flucht. In der Region Amhara südlich von Tigray sind mehrere tausend Fliehende angekommen.

Die Amhara-Regionalregierung unterstützt mit ihren lokalen Truppen die äthiopische Armee beim Vormarsch in Tigray, dessen Regionalregierung von der Zentralmacht in Addis Abeba nicht mehr anerkannt wird und sich mit ihren eigenen Sicherheitskräften und Milizen gegen Äthiopiens Militär wehrt.

Bei vielen Menschen in Tigray weckt das düstere Erinnerungen an den blutigen Guerillakrieg der 1980er Jahre, als die Tigray-Volksbefreiungsfront (TPLF) gegen die in Addis Abeba herrschenden Amhara-Generäle kämpfte und sie schließlich 1991 stürzte. Die TPLF war danach bis 2019 in Äthiopien an der Macht, verlor dann aber ihre Vormachtstellung mit dem Amtsantritt des [2][Reformpremiers Abiy Ahmed] und zog sich auf ihre Bastion Tigray zurück, wo sie sich im September in von der Zentralregierung als illegal bezeichneten Wahlen an der Macht bestätigen ließ. Das war der Auslöser des Konflikts, der jetzt militärisch ausgetragen wird.

Blockade durch Zentralregierung

Wie in den 1980er Jahren erleidet Tigray nun äthiopische Luftangriffe. Die Hauptstadt Mekelle wurde am Donnerstag zum wiederholten Mal getroffen. Angehörige und Freunde von Bewohnern Mekelles berichten der taz von verzweifelten Versuchen, die Menschen dort in Sicherheit zu bringen. Das Internationale Rote Kreuz (IKRK) in Mekelle hat dafür eine Hotline eingerichtet und wurde nach eigenen Angaben bereits über 1.000-mal kontaktiert.

„Der Telekommunikationsblackout in Tigray macht es Menschen praktisch unmöglich, ihre Familienangehörigen zu kontaktieren“, erklärt das IKRK in Addis Abeba dazu und weist zudem darauf hin, dass die Blockade Tigrays durch die Zentralregierung lebensnotwendige medizinische Lieferungen verhindere. Nachrichten aus Tigray berichten außerdem von rapide steigenden Lebensmittelpreisen, während zugleich die Banken kaum noch Bargeld haben.

19 Nov 2020

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Dominic Johnson

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