taz.de -- Parlamentswahl in Nordmazedonien: Sieg für Sozialdemokraten

Der frühere Premier Zoran Zaev liegt knapp vorn. Für eine Regierungsbildung braucht er die Unterstützung einer albanischen Partei.
Bild: Zoran Zaev, Vorsitzender der pro-europäischen Sozialdemokraten erklärt seinen Sieg bei den

Split taz | In Nordmazedonien hat der 45-jährige Sozialdemokrat Zoran Zaev hat die Parlamentswahlen gewonnen. Nach Auszählung von 94 Prozent der abgegebenen Stimmen erreichte seine Sozialdemokratische Liga 36 Prozent. Die rechte VMRO-DPMNE liegt mit 34 Prozent knapp dahinter. Die Wahlbeteiligung lag bei knapp über 51 Prozent und damit niedriger als bei vorangegangenen Wahlen.

Wie viele Sitze die Parteien in dem 120 Sitze umfassenden Parlament jeweils bekommen, steht noch nicht fest. Zoran Zaev, der im Januar [1][aus Protest gegen die zögerliche Haltung der EU in Sachen Beitrittsverhandlungen zurückgetreten war], kann wohl in sein Amt zurückkehren und die Übergangsregierung wieder ablösen.

Der linke Reformer, der 2016 mit einer Regenbogenkoalition aus Sozialdemokraten, Vertretern der Zivilgesellschaft, Menschenrechtlern und Vertretern der Roma und anderen Minderheiten das damalige nationalistische Regime der VMRO-DPMNE unter Nikola Gruevski ablöste, will seine erfolgreiche Reformpolitik fortsetzen.

Seine Bilanz konnte sich bis Corona sehen lassen: Die eingeleiteten Maßnahmen zur Justizreform und Untersuchungen über die Korruption der Vorgängerregierung zwang Ex-Ministerpräsident Gruevski mit Hilfe ungarischer Agenten zur Flucht nach Budapest.

Zaev verewigte sich mit historischem Namensabkommen

In Geschichtsbüchern verewigte sich Zaev aber mit dem historischen Abkommen mit Griechenland 2017, in dessen Zuge der Name des Landes von Mazedonien in Nordmazedonien geändert wurde. [2][Sein damaliger griechischer Kollege Alexis Tsipras musste für das Abkommen genauso kämpfen wie Zaev] und sich gegen die Nationalisten im eigenen Land durchsetzen. Bis heute sieht die VMRO-DPMNE in dem Abkommen einen Vaterlandsverrat.

Das Abkommen mit Griechenland öffnete in der Tat den Weg für die Integration Nordmazedoniens in die EU und die Nato. Am 27. März 2020 wurde Mazedonien als 30. Mitglied in die Nato aufgenommen. Auch die EU entschied sich im März für die Aufnahme von Verhandlungen, nachdem Frankreich und die Niederlande ihren Widerstand aufgegeben hatten. Damit kann Zaev seinen proeuropäischen Kurs fortsetzen.

Vor jubelnden Unterstützern kündigte er in der Hauptstadt Skopje weitere Wirtschaftsreformen und einen konsequenten Kampf gegen Korruption an. Aber genau dieser Punkt könnte Zaev Probleme bereiten. Er muss mit einer der Albanerparteien koalieren. Die Albaner stellen mehr als ein Viertel der Bevölkerung Mazedoniens, mit 11 Prozent ist die Albanische Demokratische Union für Integration (DUI) unter Ali Ahmeti aussichtsreichster Koalitionspartner. Ahmeti unterstützt die Westintegration, zögert jedoch bei der Umsetzung von Justizreformen. Zudem will die DUI den Premier stellen. Das kann Zaev aber nicht zulassen.

16 Jul 2020

LINKS

[1] /Nordmazedonien-nach-EU-Gipfel/!5634642
[2] /Umbenennung-Mazedoniens/!5536487

AUTOREN

Erich Rathfelder

TAGS

Nordmazedonien
Griechenland
Europäische Union
Zoran Zaev
Parlamentswahlen
Nordmazedonien
serbische Minderheit im Kosovo
EU-Gipfel
Nordmazedonien

ARTIKEL ZUM THEMA

Politik in Nordmazedonien: Mann mit großen Plänen

Ali Ahmeti will Ministerpräsident Nordmazedoniens werden – mit elf Prozent der Stimmen. Schon sein Leben lang ist er ein kompromissloser Kämpfer.

Publizist über Zukunft des Kosovo: „Kosovaren wollen echten Wandel“

Drei Monate nach der Wahl mit historischem Ergebnis hat das Land noch immer keine Regierung. Die steht vor großen Aufgaben, sagt der Publizist Veton Surroi.

Nordmazedonien nach EU-Gipfel: Ministerpräsident will Neuwahlen

Die Uneinigkeit der Mitgliedstaaten über die EU-Osterweiterung löst in Nordmazedonien eine politische Krise aus. Der Regierungschef plädiert für Neuwahlen.

EU-Beitritt Albanien und Nordmazedonien: Streit um Westbalkanländer

Frankreich sperrt sich gegen den Start der Verhandlungen. Bundeskanzlerin Merkel will versuchen, Präsident Macron noch umstimmen.